Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 18.10.2015

Menschliches leisten
   
Zum Thema Flüchtlinge, das uns derzeit so beschäftigt, konnten wir in den letzten Monaten viele Beispiele großherziger Mitmenschlichkeit bestaunen. Was Bürgerinnen und Bürger, Christen und Muslime, gläubige Menschen und Atheisten, Polizisten, Ärzte, Pflege- und Rettungskräfte,  Haupt- und Ehrenamtliche, politische Verantwortungsträger, Mitarbeiter der Kommunen und der Landratsämter, der verschiedenen Behörden und der Sozialeinrichtungen, der Pfarrgemeinden und der Helferkreise geleistet haben und immer noch leisten, ist wirklich phantastisch.
Sie leisten keineswegs übermenschliches, sondern zutiefst menschliches und zwar bis an die Grenze der Erschöpfung und manchmal auch darüber hinaus. Eine unglaubliche Zahl von guten Menschen, organisiert oder ganz spontan, haben ein wunderbares Bild von Deutschland und Bayern in die Welt geschickt. Die Weltstadt mit Herz hat dabei ihrem Namen alle Ehre gemacht. Loben möchte ich dabei ausdrücklich die Medien, die uns nicht nur mit objektiven Informationen versorgt, sondern uns oft auch Menschen und ihre Schicksale sehr anrührend nahe gebracht haben.
Es gibt aber auch die große Kehrseite der momentanen Situation. Die brennenden Häuser, die Hassparolen gegen Ausländer, die Gewaltakte in und vor Flüchtlingsunterkünften, die weitverbreitete Xenophobie bzw. Islamfeindlichkeit und die mehr oder weniger offen ausgesprochenen Ressentiments von verängstigten Bürgern, das Chaos bei der Registrierung und der Unterbringung von immer neuen Menschen, die fast kollabierende Asylverwaltung, die erschreckend unsolidarischen nationalstaatlichen Egoismen mancher EU-Staaten, die temporäre Wiedereinführung der Grenzkontrollen – all das darf nicht beschönigt werden.
Die Probleme, die die Flucht von so vielen Menschen verursacht haben, sind vielfältig. Schon vor über 20 Jahren habe ich in meiner Doktorarbeit gefordert, dass das individuelle Menschenrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ergänzt werden muss durch ein Einwanderungsregelungsgesetz, damit nicht die gesamte Zuwanderungs- und Fluchtproblematik über das enge Ventil des Grundrechts auf Asyl erfolgen muss.
Das Thema Flucht und Asyl ist wirklich kompliziert und braucht Differenzierung statt populistische Vereinfachung und parteipolitisches Gezänk. Natürlich bin auch ich nicht für eine Einladung an alle Menschen, denen es andernorts schlechter geht. Natürlich können nicht alle kommen und auch nicht alle bleiben. Aber wer bei uns in Not ist, dem muss geholfen werden, der muss menschenwürdig und menschengerecht behandelt werden, auch wenn man ihm kein dauerhaftes Bleiberecht in Aussicht stellen kann. Es geht dabei nicht nur um unsere christliche Identität, sondern um unser Selbstverständnis als Europäer. Es geht um die Verwirklichung der Prinzipien, auf denen Europa aufgebaut ist – insbesondere Personalität, Solidarität und Subsidiarität – sonst implodiert das Konstrukt Europa von innen heraus. Aus der EWG haben wir ja bewusst die EU gemacht. Der Friedensnobelpreisträger von 2012 muss jetzt unter Beweis stellen, dass er den Preis damals zu Recht erhalten hat, weil es bei der europäischen Idee nicht primär um nationalstaatliche, insbesondere wirtschaftliche Eigeninteressen geht, sondern um Weltverantwortung.
Natürlich ist die große Flüchtlingszahl eine enorme Prüfung auch für uns hier in Deutschland und ganz besonders momentan in Bayern. Aber als Hochschullehrer weiß ich, dass bei Prüfungen eine positive Motivation allemal besser ist, als vor eine Studentengruppe zu treten und zu sagen: Ihr schafft das eh nicht, das ist viel zu viel für euch. Mit einer solch lähmenden Antipädagogik wird nichts besser und vieles viel schlechter.

Auszug aus dem Bericht von Hans Tremmel vor der Herbstvollversammlung 2015 [Weiter]
Tremmel
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