Verbales SudokuAls Hochschullehrer versuche ich immer, auch komplizierte ethisch-theologische Sachverhalte den Studierenden verständlich zu machen. Ich habe den Eindruck, der aktuelle Fragebogen des Vatikans macht es genau anders herum, selbst einfaches wird kompliziert. Ob das Strategie oder Inkompetenz ist, vermag ich nicht zu sagen. So ganz im Sinne von Franziskus kann es jedoch nicht sein. Schließlich will er das Volk Gottes befragen, damit der Hirte den Geruch der Schafe annimmt. Meine Überschrift für dieser Aktion lautet: Gut gemeint und schlecht gemacht. Offensichtlich wird es Zeit, dass – und hier gebrauche ich den weltlich gängigen Begriff – die Laien im Vatikan mal durch Profis ersetzt werden, damit ein Fragebogen verschickt wird, der nicht einem verbalen Sudoku ähnelt, der nur Fans Spaß macht und nur von vermeintlichen Experten bewältigt werden kann. Umso dankbarer bin ich allen in der Erzdiözese, die sich trotzdem redlich um eine gute Beantwortung der verklausulierten Fragen bemüht haben, und auch allen, die aus den Antworten eine brauchbare Zusammenfassung machen.
Die Ergebnisse der ersten Fragebogenaktion waren so eindeutig, dass die Bischofssynode in Rom daran wohl nicht vorbei kann. Die Auswertung des aktuellen Fragebogens wird die Tendenz noch verstärken. Für diese Mutmaßung braucht man kein Prophet zu sein, im Hinblick darauf, was dann wirklich unterm Strich rauskommt, schon. Papst Franziskus blendet die Realitäten offensichtlich nicht aus. Er hat buchstäblich über den Wolken etwas flapsig und eben dadurch medienwirksam deutlich gemacht, dass es zur Würde des Menschen besonders in ihren persönlichen Beziehungen und Partnerschaften gehört, verantwortungsvoll miteinander umzugehen. (...) Vor allem in diesen Themen, in denen wir als Laien unsere spezifische Erfahrungskompetenz einbringen, können wir ihn auf seinem Reformweg unterstützen und die Kirche noch stärker an die Zeichen der Zeit und an die tatsächliche Lebenswirklichkeit der Menschen heranführen. Die zölibatären Männer brauchen uns dazu. Und wir sollten Ihnen sagen: „Yes we can“, also hört auf uns! Hört vor allem auf die Frauen! Gerade sie bringen eine Kompetenz ein, die euch fehlt. Denn bei den Themen Ehe und Familie, Sexualität und Partnerschaft darf nicht nur mit unrealistischen Idealbildern gearbeitet werden, die unsere Lebenswirklichkeiten vielfach zu Unrecht abqualifizieren. (...)
Wer behauptet, eine bestimmte „unnatürliche“ Empfängnisverhütungsmethode mache die Frau im Gegensatz zu einer anderen „natürlichen“ Methode dem Willen des Mannes Untertan und deshalb müsse man sie verbieten, der hat wenig verstanden von modernen Frauen, wenig verstanden von verantwortungsvoller Partnerschaft und wenig von verantworteter Elternschaft. Es ist grober Unfug, wenn Abtreibung und „künstliche“ Empfängnisverhütung auf eine Ebene gestellt werden. Andererseits ist es aber auch vollkommen inakzeptabel, wenn eine tatsächlich abtreibende Methode als legitime Empfängnisverhütung propagiert wird. Es muss der Kirche immer um den Schutz und die Würde des menschlichen Lebens gehen, auch in dieser Thematik. Um ethisch tragfähige Gewissensentscheidungen treffen zu können, braucht man Kenntnisse u.a. aus der Medizin und der Psychologie. Das Kriterium der Natürlichkeit alleine ist weder einleuchtend noch ausreichend. Die Werte, die wir als Kirche wirklich vermitteln wollen, sind höher anzusiedeln als diese leidige Methodendiskussion, die viele von uns nicht mehr hören und die die Menschen in der Pastoral kaum mehr vertreten können. Ich kann es nicht oft genug wiederholen, es ist keineswegs alles erlaubt im Umgang des Menschen mit dem Menschen, aber im Bereich der Sexualität eben auch nicht (fast) alles verboten. Darauf hat Franziskus mit seinem Vergleich hingewiesen und die Fragebögen haben das nachdrücklich angemahnt. Vielleicht entdeckt die Kirche ja bei der Bischofssynode ihre eigene Lehre vom Gewissen wieder neu und traut den Menschen mehr Eigenverantwortung zu. (LG 16)
Auszug aus dem Bericht von Hans Tremmel vor der Frühjahrsvollversammlung 2015 [Weiter]