Verantwortung übernehmenBereits im Juli hat Papst Franziskus in beeindruckender Weise angeprangert, dass tausende von Menschen vor den Toren Europas auf ihrer Flucht im Meer ertrinken. Was bisher nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, entsetzt uns seit der Nacht zum 3. Oktober. Die Opferzahl katapultiert das Problem in unser kollektives Bewusstsein. Wie lange wird wohl das Erinnerungsvermögen anhalten? An dieser von Menschen gemachten Katastrophe darf niemand vorbeisehen. Sie darf uns nicht gleichgültig lassen. Daraus müssen jetzt endlich die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Die Europäische Union darf nicht nur die Sicherheit der Außengrenzen im Blick haben. Sie muss sich auch der Sicherheit von Flüchtlingen verpflichtet wissen, denn es geht hier um Menschenleben und um die ethischen Grundwerte, auf deren Fundament der Gedanke Europas ruht.
Durch die Festlegung sogenannter „sicherer Herkunftsländer“ und „sicherer Drittstaaten“ ist es besonders schwierig, nach Deutschland zu kommen. Die Unterscheidung von ehrenvollen Fluchthelfern (wie zu DDR-Zeiten) und skrupellosen Schleusern ist oftmals so einfach nicht. Wo beginnt und wo endet politische Verfolgung? Ist man schon deshalb ein „Asylmissbraucher“, weil man der hoffnungslosen Situation im eigenen Heimatland entfliehen will? Beim Thema Flüchtlinge und Asyl gilt es, genau hinzuschauen und differenziert zu argumentieren. Natürlich darf der Staat sich nicht durch Aktionen wie auf dem Rindermarkt oder im DGB-Haus erpressen lassen. Natürlich kann es sein, dass unser Sozialsystem ungerechtfertigt in Anspruch genommen wird. Nicht jeder Bürgerkriegsflüchtling ist politisch verfolgt und nicht jeder Asylbewerber ist ein anzuerkennender Asylberechtigter. Aber jeder dieser Heimatlosen ist ein Mensch, mit seinem eigenen, oftmals erschütternden Schicksal. Jeder hat seine Hoffnungen, sein Streben nach Glück, seine Sehnsucht nach einem besseren Leben im Gepäck. Keiner von ihnen verlässt seine Heimat gerne. Jeder von diesen Menschen ist ausgestattet mit einer einzigartigen, schützenswerten Würde. Und diese nimmt uns in die Pflicht, egal ob der Flüchtling nun Christ ist oder nicht.
Burden-Sharing, Lastenverteilung ist ein Begriff aus der Migrationsforschung. Und die Lasten sollten wir tatsächlich gerechter verteilen, innerhalb der Welt, innerhalb Europas, innerhalb Deutschlands und innerhalb Bayerns. Nur unter diesem Aspekt kann es erlaubt sein, dass wir die Flüchtlinge subsidiär auf menschenwürdige Unterkünfte im ganzen Freistaat verteilen. Der nun in Bayern alleinregierenden Christlich-Sozialen Union darf ich am Beginn dieser Legislaturperiode bei aller vorhandenen Wertschätzung auch deutlich sagen, dass die menschenfreundliche Behandlung von Flüchtlingen und ausländischen Hilfesuchenden durchaus noch ausbaufähig ist. Ich räume bei dieser Gelegenheit allerdings auch ein, dass sich offensichtlich seit einigen Monaten durchaus etwas zum Positiven bewegt. Aber da ist noch humanitäre Luft nach oben. Ich möchte den Politikern und den Beamten, die sich hier redlich um Verbesserungen bemühen, herzlich danken und sie bitten, in diese Richtung konsequent weiterzugehen.
Und auch wir als Kirche von München und Freising können mithelfen und überlegen, wo wir selber konkret einen Beitrag leisten können: Wohnraumsuche, Sprachtrainings, Einladungen zu Pfarreiveranstaltungen, gemeinsame Aktivitäten im Bereich von Sport, Musik, Theater, Tanz. Und warum nicht auch ein gemeinsames Gebet oder eine Andacht? Menschen begegnen Menschen, das muss gerade auch in dieser Thematik unsere Devise sein.
Auszug aus dem Bericht von Hans Tremmel vor der Herbstvollversammlung 2013 [Weiter]