Nur als Geschenk
Menschen begegnen Menschen. Dies ist wohl das Erfolgsrezept dafür, dass 50 Jahre Partnerschaft unserer Erzdiözese mit der Kirche in Ecuador nicht lediglich eine Patenschaft der Reichen für die Armen ist. Über die dringend notwendige Hilfe aus Kirchensteuermitteln hinaus wird die Beziehung zu unseren Schwestern und Brüdern von einer zunehmenden Zahl von Personen und Initiativen aus dem gesamten Erzbistum geprägt. Insbesondere Mitglieder in den Räten und Verbänden nehmen die konkrete weltkirchliche Verantwortung sehr ernst. Verbindlich wurde die Zusammenarbeit der Laien durch die 2007 vom Nationalen Laienrat in Ecuador mit dem Diözesanrat geschlossene Freundschaftsvereinbarung. Zweifellos ist mit diesem Titel ein sehr hoher Anspruch formuliert. Denn Freundschaft lässt sich nicht von oben verordnen, lässt sich nicht in Vereinbarungen regeln. Sie ist – wie die Liebe – Geschenk der Freiheit.
Können Institutionen, Diözesen, Länder überhaupt Freundschaften miteinander schließen? Ja und nein. Die Repräsentanten können zwar Vereinbarungen treffen, können sinnvolle Rahmenbedingungen für ein Gelingen schaffen. Mit wirklichem Leben füllen können es jedoch nur die Menschen, die die Institutionen in ihrer Gesamtheit tragen. Andernfalls verkümmert am Ende die beste Idee. Das Ideal, das mit der Freundschaftsvereinbarung beschworen wird, ist eine bleibende Herausforderung und eine nachhaltige Aufgabe für alle, die in Räten und Verbänden Verantwortung übernommen haben.
Wie soll uns das gelingen? Indem wir darüber nachdenken, was Freundschaft tatsächlich bedeutet. Freunde begegnen einander trotz aller Unterschiedlichkeit auf Augenhöhe. Sie teilen Lebensfreude und Sorgen, trösten, ermutigen, eröffnen neue Horizonte und geben Rat. Freunde unterstützen sich auch ganz handfest. Sie tun dies in subsidiärer Weise, indem sie helfen, wo und solange Hilfe nötig ist, ohne Abhängigkeiten zu erzeugen. Freunde setzen sich füreinander ein, indem sie Ungerechtigkeiten nicht nur benennen, sondern mitwirken sie zu beseitigen, vor allem in den Strukturen. Freunde dürfen, ja müssen einander dabei gegebenenfalls unbequeme Dinge sagen. Hier geht es auch um den je anderen Blickwinkel auf vermeintliche Selbstverständlichkeiten und das Hinterfragen lieb gewonnener Verhaltensweisen. Gerade darin können wir voneinander lernen.
Die Kirche von München und Freising ist eine katholische im eigentlichen Sinn des Wortes. Deshalb bilden wir nicht nur eine Glaubens-, sondern auch eine Solidargemeinschaft mit den Menschen in Ecuador. Wenn Anfang Mai Gäste aus Ecuador zu uns kommen, verlassen sie uns vielleicht mit dem Geschenk der Freundschaft im Gepäck. Zwar lässt sich das nicht herstellen, aber wir alle können einiges dafür tun - und wir dürfen auch uns selbst beschenken lassen.