Kindersegen
„Kinder kriegen die Leute immer“, meinte 1957 Konrad Adenauer und hielt deshalb Familienpolitik nicht für eine vordringliche Angelegenheit des Staates. Der demographische Wandel in den modernen Industriestaaten hat diese Aussage ad absurdum geführt, weshalb Vorträge zur Bevölkerungsentwicklung gerne mit diesem Zitat eingeleitet werden, um es dann genüsslich zu widerlegen. Während nämlich die Weltbevölkerung auf der einen Seite weiter dramatisch anwächst, schrumpft auf der anderen Seite die Einwohnerzahl in den Industrienationen kontinuierlich. So wird bekanntlich durch niedrige Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung die deutsche Bevölkerung immer älter und je nach Bundesland auch immer weniger. Vor allem die prosperierenden Regionen profitieren wirtschaftlich von der Zuwanderung aus dem In- und Ausland und können so die niedrigen Geburtenraten kompensieren. Dagegen haben vor allem die neuen Bundesländer mit den Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs zu kämpfen.
Die sinkenden Beitragszahler müssen künftig immer mehr Beitragsempfänger unterstützen. Auf Dauer kann das nicht gut gehen. Längst hat das Thema Familie sich daher zu einem zentralen Anliegen der Politik gemausert. Anreize werden geschaffen, damit mehr Kinder in Deutschland geboren werden – Elterngeld, Kinderbetreuungsplätze, Ganztagesschulen usw. Dennoch, Politik kann lediglich günstige Rahmenbedingungen bereit stellen, sie darf nicht in die Familienplanung ihrer Bürger eingreifen. Die eigentliche Entscheidung für Kinder ist exklusives Vorrecht der Eltern. Ihnen allein obliegt es, in einer verantworteten Elternschaft ja zu sagen zu Kindern. Wie verheerend es sein kann, wenn der Staat sich zu unmittelbar einmischt, zeigt am anderen Ende der Bevölkerungsproblematik die menschenverachtende Ein-Kind-Politik Chinas, der bislang Millionen insbesondere weiblicher Föten zum Opfer gefallen sind.
Demographie ist eine schwierige Wissenschaft. Wie schwierig, zeigen uns die überraschenden Zahlen am Ende des Jahres 2010. Die Geburten in Deutschland steigen wieder, war zu lesen. Man mochte es kaum glauben. In München und Freising wurde sogar vom Babyboom gesprochen. Woran lag es? An den guten Berufsperspektiven und den tollen Rahmenbedingungen des Staates? An der Einsicht der jungen Eltern, welches Geschenk Kinder sind? An der tickenden biologischen Uhr, die abzulaufen drohte? Noch war es verfrüht, seriöse Antworten auf diese Fragen zu geben und schon wurde Anfang dieses Jahres für die Bundesrepublik insgesamt der alte Schrumpfungstrend wieder bekräftigt.
Vielleicht müssten wir häufiger von unseren Elternfreuden sprechen. Vielleicht würden dann noch mehr Paare den düsteren demographischen Prognosen ein Schnippchen schlagen, indem sie ganz bewusst Ja sagen zum Kind – mit der Hilfe des Staates.