Im Gegenwind
Wer als Katholik gesellschaftliche Trends und Einstellungen gegenüber der katholischen Kirche beobachtet, wird zustimmen: Der Wind hat sich gedreht. Die Kirche steht im Gegenwind. Das spüren besonders diejenigen, die in den Gemeinden Verantwortung tragen.
Erinnern wir uns an den Afrikabesuch von Papst Benedikt XVI. Wer sich nur aus den Medien informiert hat, hätte meinen können, die Mission des Papstes habe nur einem einzigen Problem gegolten und das Schicksal Afrikas entscheide sich an eben dieser einen Frage: am Einsatz der Kondome. Nun hat sich der Papst zu dieser Frage auf afrikanischem Boden gar nicht geäußert. Und das, was er in einem Interview während des Hinflugs sagte, war so pointiert, dass es in das Schema vorgefasster Urteile nicht passte. Also verschwieg man es – und die Kommentatoren kommentierten ihre eigenen Kommentare.
Oder die Tage des Papstes in Israel. Es war ausgemacht, dass der Papst der Situation nicht gewachsen sei und dass er sich an einem der vielen Fallstricke verfangen werde. Als dies nicht eintrat, verständigte man sich auf die Formel, er habe zuwenig Emotion gezeigt. Nicht wenige Journalisten wussten im übrigen genau, was Papst Benedikt da und dort hätte sagen müssen, aber leider nicht gesagt habe.
Dabei hätte sich gelohnt, die Rede des Papstes in Jad Vaschem aufzugreifen. Die Nationalsozialisten wollten nicht nur das jüdische Volk, sondern auch das Gedächtnis an die einzelnen Opfer auslöschen. Damit die Absicht der Mörder durchkreuzt werde, müssten die Namen der Opfer in unserer Erinnerung präsent bleiben. Denn, so der Papst, die Nennung des Namens vergegenwärtigt nach dem Verständnis der Bibel den Menschen in seiner personalen Einmaligkeit; der Name eines jeden ist eingeschrieben bei Gott.
Was haben wir von dieser Rede gehört? Liest man dagegen, welche tagespolitischen Banalitäten der Papst am Gedächtnisort des Holocaust hätte von sich geben sollen – über den Iran, zum wiederholten Mal über Bischof Williamson -, so tritt doch eine große Armseligkeit zutage. Wir dürfen stolz auf Papst Benedikt, der auch hier seinen Weg ging und seinen Dienst tat, ohne nach der launischen Gunst der öffentlichen Meinung zu schielen.
Kirche im Gegenwind – wir müssen hier auch die Niederlage der Kirchen im Berliner Volksbegehren nennen. Dem organisierten Atheismus ist es hier im Verein mit den Berliner Mehrheitsparteien der SPD und der Linken gelungen, den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach aus der öffentlichen Schule zu verbannen.
Es ist nicht einfach, wenn einem der Gegenwind ins Gesicht bläst. Aber wir dürfen uns als Kirche nicht einigeln. Wir dürfen keine Wagenburg-Mentalität hochkommen lassen. Wir müssen für eine offene Kirche einstehen; für eine Kirche, die auf die Menschen zugeht. Lernen wir von den Piloten: Flugzeuge starten gegen den Wind.