Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Münchner Kirchenzeitung vom 06.05.2007

Baumgartner Kolumnen
Chancengerechtigkeit – gibt es das?

Wer neuere Sozialworte der Deutschen Bischofskonferenz etwas aufmerksamer studiert, begegnet ihr: der Idee der Chancengerechtigkeit. Manchmal verbindet sich damit eine Aufforde-rung umzudenken oder „das Soziale neu zu denken“. Denn wir seien, heißt es, zu fixiert auf Umverteilung des Erwirtschafteten.

Diese Auffassung muss man nicht teilen. Wenn etwa den Frauen und Männern, die in Klinken den Wäsche- und Reinigungsdienst leisten – also nicht den Großverdienern –, angeboten wird, in ausgegliederten Service-Gesellschaften für ein Drittel weniger Geld dieselbe Arbeit zu tun, damit saniert man den Haushalt der Krankenhäuser auf dem Rücken der Kleinen, wäh-rend die Klinikärzte eben über 20 Prozent höhere Gehälter durchgesetzt haben. Wenn ganze Branchen sich an den Tariflöhnen vorbeimogeln und Stundenlöhne zahlen, von dem kein Mensch leben kann, dann hat dies nicht immer mit der Globalisierung zu tun, sondern mit Umverteilung nach oben.

Das ist dann der Punkt, wo auch die Kirche wie im 19. Jahrhundert die Forderung nach ge-rechtem Lohn auf die Tagesordnung setzen muss. Das heißt nichts anderes als Verteilungsge-rechtigkeit einfordern.

Und dort hat auch die Chancengerechtigkeit, also die Leitidee, Lebenschancen gerecht zu verteilen, ihre tiefe Bedeutung. Haben alle den Zugang zu den Errungenschaften moderner Medizin? Wie steht es mit der Möglichkeit, überhaupt arbeiten zu können? Wie ist es mit den Bildungschancen? Wenn wir die letzte Frage vertiefen wollten, würden wir rasch auf bedrückende Realitäten stoßen. Wir haben wenig Durchlässigkeit zwischen den „Bildungsschichten“.
 
Eltern, die selbst keinen höheren Schulabschluss haben, tun sich schwer, ihren manchmal sehr begabten Kindern den Weg zur Hochschulreife zu eröffnen. Aus Scheu und Unsicherheit oder aus finanziellen Gründen?

Chancengleichheit? Man könnte auch einmal untersuchen, wie viel Geld der Staat für einen Hauptschüler und wie viel für einen Gymnasiasten aufwendet. Wie fällt der Vergleich bei der Verteilung der Steuergelder wohl aus? Und siehe da: während wir so fragen, sind wir wieder bei der guten, alten Verteilungsgerechtigkeit angelangt.



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