Entschieden, nicht halbherzig
In einem Punkt hat mich die adventliche Geschichte von den fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen immer innerlich erregt. Sie warten gemeinsam auf den Bräutigam. Im entschei-denden Augenblick der Ankunft, als Aufregung in die Hoch-zeitsgesellschaft kommt, entdecken die fünf Törichten ihr Malheur: kein Öl für die Lampen. Aber weit schlimmer - jede der fünf anderen erklärt, dass sie ihr Öl für sich selber brauche. Ist es klug, habe ich mich gefragt, nur auf sich selbst zu schauen? Da wäre es bei uns und in unserer Gesell-schaft um die Tugend der Klugheit gar nicht so schlecht be-stellt. Kann es sein, dass die Quintessenz dieses Gleichnis-ses auf den schlicht dümmlichen Satz hinausläuft: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott?
Nein, die Geschichte hat vermutlich einen viel ernsteren Hintergrund. Zuwarten genügt nicht. Bereit sollen wir sein. „Keine halben Sachen!“ ruft uns das Evangelium zu. Das heißt, es geht um Entschiedenheit, nicht um Mitläufertum. Hier bekommt die Geschichte auf einmal eine ganz andere Zielrichtung. Urplötzlich stehe ich selbst mit meinen Halb-heiten da, bildlich gesprochen mit meinem gar nicht so ge-füllten Ölkrug.
Ist das mein ganzer Advent, dass ich mir vor den Glühweinständen die Füße vertrete? Dass ich zuhause meinen Kerzen-vorrat aufbrauche und alpenländische „Saitnmusi“ auflege? Wahrscheinlich verlangt das Bereit-Sein heute, dass wir uns manch verordneter Gemütlichkeit und dem vorweihnachtlichen Geschiebe und Getriebe schlichtweg verweigern. Dass wir Zeit füreinander gewinnen, vor allem für so manchen, dem die Zeit lang ist. Vor allem aber müssen wir keineswegs von den schö-nen neuen Freiheiten Gebrauch machen, wie zum Beispiel sich sonntags vor den Autowaschanlagen einzureihen, nur weil maßgebliche Politiker pünktlich zur 60-Jahr-Feier der bayeri-schen Verfassung dem „Kulturstaat Bayern“ neue Entwicklungs-chancen eröffnet haben. Wir müssen nicht die exzessive vor-weihnachtliche Lichtergirlandenbinderei mitmachen. Von unseren Balkonen muss sich kein halbes Dutzend Weihnachtsmänner abseilen. So könnte jedenfalls unsere Entschiedenheit beginnen. Wir werden wohl oder übel in vielem zu alternativen Menschen werden müssen - im Äußeren wie im Inneren, in unse-ren Familien und jeder für sich.
Der Advent ist eine Zeit der Entscheidung, eine Zeit, in der der Christ sich seiner Halbheiten bewusst werden und sie nicht mit Geschäftigkeit überspielen soll. Aber noch einmal: Warum helfen die klugen Ölbesitzerinnen ihren törichten Gefährtinnen nicht aus? Es gibt , vielleicht ist das eine Ant-wort, Entscheidungen im Leben, bei denen es keine Vertretung gibt und bei denen man füreinander nicht einstehen kann, sondern die jeder für sich selbst treffen muss. Die Glaubensentscheidung ist eine solche Entscheidung.