Ein Zeuge christlicher Hoffnung
Was vermag christliche Hoffnung? Was zeichnet sie aus? In drei Schritten kommen wir vielleicht ihrem Verständnis näher.
Erstens, die christliche Hoffnung akzeptiert, dass das Werk des Menschen immer bruch-stückhaft bleibt, dass wir in unserem Schaffen häufig Zwängen unterworfen sind und die Vernetzungen der Wirklichkeit oft zu wenig durchschauen. Der Mensch kann nie im Blick auf sein Werk sagen: »Er sah, dass es gut war«. Das gilt nicht zuletzt für seine Bemühun-gen, das menschliche Zusammenleben zu gestalten, soziale Institutionen aufzubauen und gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ordnungen zu entwerfen. Alles, was der Mensch in die Hand nimmt, bleibt unvollkommenes und unvollendetes Fragment. Und doch: Diese ernüchternde Einsicht hat auf dem Hintergrund christlicher Hoffnung nichts Lähmendes an sich. Die Hoffnung hat für den Christen eine befreiende und ermutigende Wirkung. Jeder darf auf die Vollendung des Fragmentarischen seines Lebens hoffen. Im Rückblick auf das Pontifikat Johannes Pauls II. wurde – von manchen etwas zu selbstge-recht – gesagt, diese oder jene Aufgabe sei in seiner Zeit liegen geblieben. Ja natürlich, wie denn anders. Entscheidend war jedoch sein Zeugnis der Hoffnung: Habt keine Angst, lasst Euch nicht entmutigen.
Christliche Hoffnung erweist zweitens ihre heilende Kraft, wenn wir an die Grenzen un-seres moralischen Könnens und Wollens stoßen, wenn wir hinter dem zurückbleiben, was uns die praktische Vernunft als richtig und gut aufzeigt, wenn wir schuldig werden. Denn sie lebt aus der Gewissheit der Versöhnungszusage Gottes. Der verstorbene Papst hat in großer Offenheit das Versagen der Kirche bekannt. Nicht nur einmal hat er die Bitte um Vergebung ausgesprochen. Manche Katholiken hat dies irritiert. Der Papst aber ist der Realität eigener Schuld nicht ausgewichen. Er konnte dies aus der Überzeugung tun, dass wir Christen unsere Hoffnung nicht auf die moralischen Potenziale des Menschen setzen, sondern vielmehr unsere moralische Kraft aus unserer Hoffnung schöpfen.
Schließlich und drittens entfaltet die christliche Hoffnung ihre Wirksamkeit in den Gren-zerfahrungen des Menschen, welche die Brüchigkeit seiner leiblich-seelischen Existenz betreffen: in Krankheit, Leid, Tod. Sie bilden gleichsam die offene Flanke unserer säkularisierten Gesellschaften. Diese haben darauf keine Antwort. Da sie weder dem Leid noch dem Tod einen Sinn zu geben vermag, neigt die moderne Gesellschaft zu Ausblen-dung und Verdrängung. Johannes Paul II. hat diesem Trend ein Lebenszeugnis entgegengestellt. Je mehr seine Kraft abnahm, umso stärker wurde sein Zeugnis christlicher Hoffnung.