Adventlicher Aufbruch
Der Advent ist eine Zeit des Aufbruchs. Das Wort, das sich wohl am einprägsamsten durch die adventlichen Tage zieht, heißt »Weg«. Der Prophet Jesaja verkündet es gleichsam als Programm: Bahnt dem Herrn einen Weg durch die Wüste, baut ihm in der Steppe eine ebene Straße. Maria bricht ins jüdische Bergland auf, um ihre Verwandte E-lisabeth zu besuchen. Zacharias, der Vater des Täufers, spricht prophetisch über seinen Sohn: Du, Kind, wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten. Joseph geht mit Maria, seiner hochschwangeren Frau, den beschwerlichen Weg von Galiläa nach Bethle-hem. Der noch Ungeborene geht diesen Weg mit, gleichsam, um schon da zu sein und sich bei der Eintragung aller in die Listen auch selbst als Erdenbewohner registrieren zu lassen.
Was heißt denn nun »dem Herrn den Weg ebnen«? Sicher dass die kirchliche Gemein-schaft und jeder Einzelne von uns sich auch auf das Fest der Menschwerdung des Gottes-sohnes ausrichten, damit wir nicht in das Fest hinein stolpern und damit die Feier der Ankunft Christi als Mensch bei den Menschen nicht an uns vorbeiläuft. Paulus geht in der Lesung des zweiten Advent einen Schritt weiter. Es geht nicht nur um uns. Er schreibt an die Gemeinde von Rom: Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat.
Nehmt euch des Menschen an... Johannes Paul II. hat vor 25 Jahren in seiner Antrittsenzyklika diesen Gedanken in einem einzigen Satz verdichtet: »Der Mensch ist der Weg der Kirche.« Gewiss ein sperriger Satz. Die Kirche, so der Papst, dürfe am Menschen nicht vorbeigehen. Sie müsse sich dem konkreten Menschen zuwenden, dem Menschen mit seinen Hoffnungen und Ängsten, in seinen Glückstagen und seinen Niederlagen, dem Menschen in seiner Individualität und in seinen unterschiedlichsten sozialen Einbindun-gen, dem Menschen in seiner einmaligen Lebensgeschichte, in seiner schöpferischen Kraft und in seinem (selbst)zerstörerischen Potenzialen, in seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten. Die Kirche muss diesen Weg der Identifikation mit dem Menschen in seiner ganzen Wirklichkeit gehen, so der Papst, weil Christus diesen Weg selbst vorgezeichnet hat und weil der Gottessohn in seiner Menschwerdung genau diesen Weg beschritten hat. Der Advent ist also auch in diesem Sinn für die Kirche und für jeden, der ihr angehört, eine Zeit des Aufbruchs und der radikalen Zuwendung zum Menschen. Johannes Paul II. spricht sogar davon, dass der Mensch der erste und grundlegende Weg sei, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten müsse. Das Rundschreiben bietet in diesem Sinn eine adventliche Besinnung darauf, worin das Kerngeschäft der Kirche besteht.