Gesellschaftliche Verpflichtung
Bei der Herbst-Vollversammlung des Diözesanrats in Freising hat der Vorsitzende, Profes-sor Alois Baumgartner, ein Umdenken in der Familienpolitik von Bund und Ländern ge-fordert. Wir dokumentieren Auszüge aus seinem Bericht:
Das heißt nicht, dass der oft ermittelte Kinderwunsch, zwei oder sogar mehr Kinder ha-ben zu wollen, den kollektiven Lebenslügen, wie wir ihnen häufig begegnen, zuzurechnen ist. Aber es heißt, dass die Option für das Kind bei vielen in unserer Gesellschaft schwächer ausgeprägt ist als die Optionen auf Ungebundenheit, Mobilität und Erlebniswerten.
Wir stehen vor einem Problem, das sich nicht mit vollmundiger Politik lösen lässt. Wir sind mit kollektiven Einstellungen konfrontiert, die in einem Zusammenhang mit der fortschreitenden Säkularisierung und Verdiesseitigung unseres Lebensverständnisses steht. Man kann diesen Einstellungen auch nicht mit moralischen Reden beikommen, mit Hinweisen auf Verzicht und Verantwortung. Wir müssen vielmehr Wege finden, dass das Leben mit Kindern wieder als Bereicherung und als Reichtum begriffen wird. Nicht im Mindesten kann es uns darum gehen, andere Lebensformen und Paare ohne Kinder mora-lisch abzuqualifizieren. Aber wir müssen aufhören, die Familie als etwas Abkünftiges o-der bestenfalls als eine beliebige von möglichen Lebensformen zu erachten. Wir müssen wieder lernen, den Artikel 6 unserer Verfassung, dass Ehe und Familie unter dem beson-deren Schutz der staatlichen Ordnung stehen und entsprechend zu fördern seien, ohne Wenn und Aber als gesamtgesellschaftliche Verpflichtung auf die Tagesordnung zu setzen.
In einer Zeit, in der 30 Prozent aller Frauen keine Kinder bekommen – bei Frauen mit akademischer Bildung sind es mittlerweile 42 Prozent –, ist es politisch blind zu suggerie-ren, dass Kinder keinen Einschnitt in das Lebensgefüge bedeuteten, weil die Gesellschaft die entsprechenden Familienersatzinstitutionen bereit stelle. Die Familie, das kann die Politik leisten, muss wieder selbst in entschiedener Weise Gegenstand der Förderung werden. Die Eltern müssen wissen, dass sie nicht allein gelassen sind mit ihren Kindern und dass sie nicht aufgrund ihrer Kinder den sozialen Abstieg riskieren. Wen unter den Politikern erregt die Tatsache, dass seit 25 Jahren Eltern mit zwei Kindern nur noch über 60 Prozent des gewichteten Pro-Kopf-Einkommens verfügen gegenüber 100 Prozent bei kinderlosen Paaren? Die Politik muss einer öffentlichen Einstellung entgegenwirken und darf sie nicht noch unterstützen, als seien Einkommensverbesserungen für die Familien selbst fragwürdige Subventionen, während die Errichtung von Krippen und anderen Ta-gesstätten die eigentlichen Zukunftsinvestitionen darstellten.