Im Grundsätzlichen übertrifft uns niemand
Heute (20. September) ist Weltkindertag. Wie schön, denke ich, und entnehme meiner Tageszeitung, dass die bayerische Sozial- und Familienministerin den Tag zum Anlass ge-nommen hat, um ihre Besorgnis über das »stetig sinkende Verständnis« für Kinder in der Gesellschaft auszudrücken. Die Bedürfnisse und Belange der Kinder müssten »oberste Priorität« haben. Man ist dankbar für ein so klares Wort in einer Zeit, in der alles mögli-che in den Vordergrund gerückt wird, nur nicht die oft unausgesprochenen, aber gele-gentlich auch in erschütternder Weise artikulierten Erwartungen der Kinder.
Dann holt man wieder den Brief hervor, den der Schreiber dieser Zeilen Mitte vorigen Monats erhalten hat. Es war die erste Antwort auf eine Erklärung, die der Diözesanrat der Katholiken unmittelbar vor der Sommerpause unter der provozierenden Überschrift »Kinderlärm ist Zukunftsmusik« veröffentlicht hat. Die Erklärung zielt auf eine Änderung des Bundesemissionsgesetzes, weil nicht wenige Kommunalpolitiker von emissionsrecht-lichen Schwierigkeiten bei der Standortsuche für Kindergärten und Kinderspielplätze be-richtet haben. Aber nun zum Brief. Natürlich und ganz bestimmt, versichert der Verfas-ser, seien er und seine Frau kinderfreundlich, aber ... Dann kommen listige Fragen: Ob der Professor schon einmal neben einem Spielplatz Urlaub gemacht habe? Ob sein Haus neben einem Spielplatz liege und ob er dort wohnen und arbeiten müsse? Ich muss pas-sen: weder – noch. Also habe der Diözesanrat zu schweigen.
Nun mag ja der werte Briefpartner tatsächlich – angegriffen und ruhebedürftig wie er ist – gerade in seinen Urlaubserwartungen bitter enttäuscht worden sein. Kindergeschrei kann unglaublich nerven. Das weiß auch jede Mutter, das weiß jeder Vater. Möglicher-weise aber hat der Briefschreiber kaum den Kugelschreiber aus der Hand gelegt, um an-schließend den Zweitakt-Rasenmäher anzuwerfen, um seinen Reihenhausrasen zum zweiten Mal in der Woche auf englisches Niveau zu trimmen, während hinter der Hecke im Vorgarten die Rassehündin wie verrückt auf und ab tobt, weil draußen ein dickleibi-ger Dackel vorbei trottet.
Mit der Kinderfreundlichkeit geht es uns wie in anderen Bereichen auch. Grundsätzlich sind wir ihre unerbittlichen Anwälte. Von Bewährungsproben möchten wir verschont sein. Eben kommt noch die alarmierende Meldung auf den Tisch, dass vierzig Prozent der jungen Akademikerinnen kinderlos bleiben. Demgegenüber zeigten alle Umfragen einen ausgeprägten Kinderwunsch, man möchte sogar zwei oder mehr Kinder. Grundsätzlich.