Die Erschaffung der Elite
Eine Sorge geht um in unserem Land, die Sorge um unsere künftigen Eliten. Es wird uns eingeflößt, dass wir gar nicht früh genug damit beginnen können, sie zu formen. Wir sollten demnach nicht versäumen, unsere Kinder im Elite-Kindergarten anzumelden, in dem man schnell das Bayerische verlernt, dafür aber schon eine Fremdsprache erlernt. Zu früh? Mitnichten, sagt man uns. Der Kampf um die besten Köpfe beginne im Grunde schon in der Kinderkrippe. Die Ganztags-Elite-Grundschule zeichnet sich natürlich nicht nur durch Elite-Lehrer aus, nein, es ist auch darauf zu achten, dass dort die »Fußkranken« den Marsch der Hochbegabten in die Sphäre der Elite nicht aufhalten.
Unsere Gymnasien bekommen jetzt – auf acht Jahre konzentriert – ohnehin einen elitären Schub. Von den Universitäten soll es künftig zwei Arten geben, nämlich Universitäten und Elite-Universitäten. Von den letzteren allerdings nur fünf an der Zahl, zu mehr reicht das Geld nicht. Aber es geht ja auch nicht um die Förderung der Besten, sondern der Besten der Besten. Der Kanzler selbst hat uns dies neulich mit entschlossenem Blick mitgeteilt. Elitebildung ist ab jetzt Chefsache. Die Parteigenossen sind allerdings etwas verwirrt. Aber von ihnen wissen wir ja, dass sie auch sonst nicht ganz Schritt halten mit der Partei-Elite. Das sei ein Vermittlungsproblem, sagt die alte und neue Parteispitze. Dass der Kurs falsch sein könnte, kommt ihr nicht in den Sinn. So denken eben Eliten.
Je geflissentlicher Elite-Akademien und Elite-Studiengänge errichtet werden, um den elitären Nachwuchs geradezu aus dem Boden zu stampfen, desto leichter kann man der Frage ausweichen, woran man die Zugehörigkeit zur Elite erkennen und messen kann. Womöglich verfehlt man ja das Ziel der Elite-Bildung, wenn man es auf direktem Weg ansteuert. Es könnte auch sein, dass jemand, der sich einbildet zur Elite zu gehören, schon allein deshalb aus ihr ausscheidet. In der bayerischen Sprache, die die Eliten leider nicht mehr verstehen, gibt es die skeptisch prüfende Wendung, wenn jemand »abzuheben« beginnt: »Er will wohl etwas Besseres werden.« Darin drückt sich die Sorge aus, dass man denjenigen, der sich einbildet, etwas Besseres zu sein, nicht mehr brauchen könne.
Das Evangelium gibt uns einen bedenkenswerten Hinweis für die Elite-Bildung: Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein; und wer bei euch der erste sein will, soll der Sklave aller sein. Wäre das nicht der geeignete Leitspruch über den Pforten aller künftigen Elite-Akademien?