Säkularisierungsschübe
Innerhalb weniger Wochen wurden wir mit den Ergebnissen repräsentativer Erhebungen konfrontiert, in denen unter anderem das Ansehen der Kirche und deren künftiger Stellenwert Gegenstand der Befragung waren. Die zutage geförderten Einstellungen in unse-rer Gesellschaft sind für die Kirche, knapp gesagt, bedrückend.
Die zukünftige Bedeutung der Kirche wird selbst von den Katholiken negativ eingeschätzt. Nur 14 Prozent aller befragten Katholiken glauben, dass die Kirche in der Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, 73 Prozent erwarten einen weiteren Bedeutungsver-lust. In einer repräsentativen Befragung, nicht nur unter Katholiken, sondern quer durch die gesamte Bevölkerung, auf welche Gruppen und Institutionen man für die weitere Entwicklung die größte Hoffnung setze, fällt nur acht von hundert der Befragten die Kir-che ein. Gut schneidet die Caritas ab. Aber sie wird wohl nicht mit der Kirche identifi-ziert. Relativ hoch ist auch das Ansehen der Pfarrer.
Auch wenn man sich zu den Skeptikern gegenüber statistischen Umfrageergebnissen zählt, und auch wenn man die um sich greifende Skepsis gegenüber nahezu allen Großinstitutionen mit einrechnet, von der auch Gewerkschaften, Volksparteien und Medien nicht ausgeschlossen sind: Es bleibt die ernüchternde Feststellung, dass die kirchliche Bindung kontinuierlich zurück geht, dass der Glaube bei immer weniger Mitmenschen bedeutsam für das eigene Leben wird und dass die Erwartungen, welche die einzelnen und die Gesellschaft insgesamt gegenüber der Kirche bekunden, immer bescheidener werden. Die Säkularisierung der Gesellschaft scheint unaufhörlich voranzuschreiten und immer mehr Menschen in ihren Bann zu ziehen.
Wie gehen wir mit diesen Zahlen um? Zum einen müssen wir sehen, dass die Mehrheit der Befragten ihr Kirchenbild nicht mehr aus eigener Erfahrung, sondern nur noch durch die Medien gewinnt. Das Bild der Kirche wird so immer eine Schlagseite haben. Die Medien werden immer nur das Außergewöhnliche in den Blick rücken: die außergewöhnli-che Wortmeldung, den festlichen Höhepunkt, den kritischen Widerspruch, den manifesten Streit, den Skandal. Der alltägliche Trost, die Begleitung und die Freude, wie sie von vielen in der Kirche erfahren werden, entziehen sich der Vermittlung in der Öffentlichkeit.
Und trotzdem müssen wir uns fragen, ob wir uns nicht gelegentlich selbst zum eigenarti-gen Schauspiel machen, wenn etwa Katholiken nur noch mittels offener Briefe und Internetauftritte miteinander reden. Und wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir diejenigen, zumindest unter den Kirchenmitgliedern, direkt ansprechen können, die ihre Sicht von Kirche nur noch aus zweiter oder dritter Hand beziehen.