Halloween und Weihnachten
Wenn in der Vergangenheit über die fortschreitende Säkularisierung unserer Gesellschaft geklagt wurde, konnten wir immerhin noch einwenden: Ja, aber an den Hochfesten zeige sich doch noch die starke Verankerung des christlichen Glaubens im Denken unserer Zeitgenossen. Und in der Tat, dem kann man nicht widersprechen. Die Kirchen sind an Weihnachten übervoll. An Allerheiligen versammeln sich die Menschen an den Gräbern ihrer Angehörigen, wie überhaupt unsere Friedhöfe keineswegs öde, gemiedene Stätten sind. Der Glaube an die Gemeinschaft mit den Toten lebt.
Aber es gibt auch den anderen Trend: Weihnachten auf den Seychellen, Karfreitag am Skilift in den Dolomiten, Heiligabend am Strand, statt Osternacht Après-Ski in der Hütte. Wie gut für die mobile Spaßgesellschaft, dass es christliche Feiertage gibt.
Bedauerlicher freilich ist die massive Umdeutung unserer Feste. An Allerheiligen ziehen Kinder und Jugendliche als Halloween-Gespenster durch die Straßen. Während der Adventwochen sind die Weihnachtsmänner unterwegs, mischen sich unter die Massen in den Fußgängerzonen und fungieren als Türhüter der großen Kaufhäuser. Gewerkschafter demonstrieren – wie originell – im Gewand von Weihnachtsmännern gegen die Nullrunde im öffentlichen Dienst. Christkindl-Märkte – mittlerweile für jeden Ort obligatorisch – sind nur zu oft zu bloßen Märkten verkommen, keine Spur adventlicher Vorfreude, dafür Unmengen weihnachtlich verbrämter Wurstbuden und Schnickschnack-Läden. Ist das nur die übliche Klage über die Veräußerlichung unserer Feste? Nein, es ist wahrscheinlich ein neuer Säkularisierungsschub. Entleerte, nicht mehr verstandene Fest- und Fastenzeiten verlangen nach neuen Inhalten und finden sie. Was bedeutet das für uns Christen?
Wir müssen uns diesen Entwicklungen verweigern. Wir müssen dieser Aushöhlung und Erbärmlichkeit eine neue Festkultur entgegenstellen. Wir schulden den Menschen unserer Gesellschaft, jedenfalls den Suchenden und Heranwachsenden, dass der unser Leben bereichernde Sinn der Festzeiten durch alle Geschäftigkeit hindurch leuchtet. Unsere Adventmärkte und -feiern müssen sich radikal von dem unterscheiden, was landauf, landab an Banalität geboten wird. Wir haben zu widersprechen, wenn selbst der Karfreitag in manchen Orten zum Steckerlfisch-Festival entfremdet wird. Je stärker die Säkularisierung unserer Gesellschaft voranschreitet, umso mehr wird die Nichtanpassung zum Gebot. Christlich leben heißt immer mehr alternativ leben. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.