Schluss mit der Diskriminierung
Es ist noch keine fünf Jahre her, da gab es das Erziehungsgeld: das Bundeserziehungsgeld, das für Bezieher geringer Familieneinkommen zwei Jahre lang bezahlt wurde. Einige wenige Bundesländer ergänzten es durch ein Landeserziehungsgeld. Die Leitidee, die dieser Politik zugrunde lag, lautete, es sei für die Entwicklung des Kindes gut, wenn ein Elternteil sich vorwiegend der Erziehung widmete und jedenfalls teilweise auf Erwerb verzichtete. Die Eltern, die sich gezwungenermaßen oder aus welchen Gründen auch immer anders entschieden und ihr Kind frühzeitig in eine Kindertagesstätte gaben, sahen sich moralisch einer Rechtfertigungspflicht ausgesetzt. Das böse Wort von der „Rabenmutter“ war noch gegenwärtig.
Die große Koalition (2005-2009) strich das zweijährige Erziehungsgeld und ersetzte es durch ein zwölf- beziehungsweise vierzehnmonatiges Elterngeld. Nach einem Jahr war also die staatlich geförderte Erziehungsphase beendet. Die jungen Eltern sollten möglichst schnell wieder der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Die höchste Förderung erhielten nicht die Einkommensschwachen, sondern diejenigen mit den hohen und höchsten Einkommen vor Antritt der Erziehungszeit (1800 € pro Monat). Wahrhaftig eine ungeheure Kehrtwendung in der Familienpolitik!
Noch viel erstaunlicher aber ist, wie rasch sich in der öffentlichen Einstellung ein Wandel vollzog. Das zeigte sich in dem Augenblick, als die politische Forderung erhoben wurde, Eltern, die ihre ein- und zweijährigen Kinder selbst erziehen, sollten einen bescheidenen Zuschuss zum Familieneinkommen von 150 € erhalten. Es begann geradezu ein Wettlauf um die diskriminierendsten und herablassendsten Äußerungen gegenüber jenen Eltern, die ihr Erziehungsrecht gegenüber ihren Kleinkindern wahrnehmen – aus welchen Gründen auch immer, und sei es nur aus dem Grund, dass sie in den westlichen Bundesländern zu den 75 % der Eltern gehören, für deren Kinder es keinen öffentlichen Krippenplatz gibt. Heute unterliegen diese Eltern einem Generalverdacht, sie würden das Geld vertrinken oder für den Kauf von TV-Flachbildschirmen verwenden. Es sei nicht gut, den Eltern Geld in die Hand zu geben, allenfalls an Gutscheine sei zu denken (Hat jemals irgendjemand gefragt, ob die Begüterten die 1800 € Erziehungsgeld im Sinne ihrer Kinder ausgeben oder damit einen benzinfressenden Luxusschlitten anfinanzieren?). Schwinden vielleicht mit sinkendem Einkommen der Erziehungswille und die Erziehungskompetenz? Diese elende Diskussion währt jetzt schon Jahre. Man sollte sie sofort beenden.
Man fragt sich, steht die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung oder unter deren besonderen Druck. Das Elternrecht – welche Rolle spielt es noch? Gilt es nur noch für die Oberschicht, die es sich leisten kann und darf, für ihr Kind das Beste zu wollen.