Mut zur Familie?
War es die vorweihnachtliche Stimmung, die selbst das Hartgesottene (und die Hartgesottenen)zu erweichen vermag? Jedenfalls fanden im vergangenen Jahr acht Tage vor dem Heiligen Abend die Kirche und die Spitzenorganisation der
bayerischen Wirtschaft zu einem gemeinsamen Aufruf zusammen mit dem schönen Titel -„Mut zur Familie“ und mit dem beherzigenswerten Untertitel
„Rahmenbedingungen schaffen“. Es war ein verheißungsvoller Akzent. Wenn Unternehmensverbände über ihre unmittelbaren Interessen hinaus denken und das Ganze einer Gesellschaft, das allgemeine Wohl, in den Blick nehmen, zeigt das Verantwortungsbereitschaft an, aber auch Realitätssinn. Die Gesellschaft lebt von der Effizienz ihrer Wirtschaft. Aber auch die Wirtschaft hat Teil an der Stimmigkeit und der Lebenskraft der Gesamtgesellschaft in all ihren kleineren und größeren Gemeinschaften. Nicht zuletzt lebt sie auch von den Leistungen der Familien.
Nun, ein gutes halbes Jahr später, möchte man die bayerische Wirtschaft an den adventlichen Mutappell erinnern. In einem jüngst veröffentlichen Positionspapier für einen „Wachstumspakt“ scheint wieder in Vergessenheit geraten zu sein, was man sich vorgenommen hat: die Bedingungen, unter denen Familien gedeihen können, in guten wie schlechten Zeiten nicht mehr außer Acht zu lassen. In dem Positionspapier geht es darum, wie man das wirtschaftliche Wachstum kurzfristig befördern könnte. Viele Wachstumsbremsen werden genannt. Selbstverständlich ist es das gute Recht – und für einen Interessensverband sogar eine Pflicht - , all das aufzulisten, was einem schnellen Wirtschaftsaufschwung im Weg steht. Enttäuschend ist es aber, wenn dem die guten Vorsätze, auf das Wohl anderer gesellschaftlicher Bereiche zu schauen, zum Opfer fallen.
Da findet sich beispielsweise die Forderung, es müsse möglich sein, Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund auf bis zu fünf Jahre zu befristen. Der Vorteil für die Unternehmen liegt auf der Hand. Sie haben mehr Dispositionsfreiheit. Für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet es freilich weniger Sicherheit. Vor allem erschwert es deren Lebensplanung. Wir stehen heute schon vor dem Problem, dass Eheschließung und Familiengründung immer weiter in die Zukunft verschoben werden. Was wollen wir? Mut zur Familie! Dann müssen wir aber ermutigen. Dann dürfen wir nicht nur auf die Unerschrockenheit derer hoffen, die sich für Familie und Kinder entscheiden, obwohl die Gesellschaft nicht aufhört, ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.