Dass sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche geschehen konnte, dass die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen solches Leid erfahren mussten, bleibt für mich eine Katastrophe, eine kaum vorstellbare Wirklichkeit. Ich nehme das sehr ernst: Aufarbeitung und Prävention sind nicht einfach nur ein Thema unter vielen. Sie sind eine zentrale Aufgabe der Kirche, an der wir beständig arbeiten müssen, in die wir Ressourcen investieren müssen, für die wir bereit zu Veränderung und Selbstkritik sein müssen.
Das ist der Anspruch, dem ich mich stelle, und mein Auftrag an die Erzdiözese. Aus dieser Haltung heraus engagiere ich mich auch in Rom und in der Weltkirche. Zudem arbeiten wir im Synodalen Weg daran, wie Umkehr und Erneuerung gelingen können. Ich bin dankbar für diese Chance, grundlegende Herausforderungen zu diskutieren, immer mit dem Anliegen, Haltungen und Strukturen zu verändern, die zu sexuellem Missbrauch beigetragen haben könnten. Dabei geht es nicht zuerst darum, die Zukunft der Kirche zu sichern oder verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, sondern darum, das Leid der Betroffenen ernst zu nehmen, es zu lindern, soweit das möglich ist, und neues Leid zu verhindern.
Diese Ausrichtung auf die Betroffenen ist etwas, was ich persönlich und wir als Kirche in den vergangenen Jahren lernen mussten und woran wir weiterarbeiten müssen. Es geht darum, unsere Verantwortung anzunehmen und uns der Wahrheit zu stellen. Das gelingt, indem wir zuhören: Jemandem wirklich zuzuhören, das bedeutet auch, auf ihn zu hören und seine Impulse und Anliegen anzunehmen.
Wichtig sind mir dabei persönliche Begegnungen und Gespräche. Wichtig sind mir aber auch konkrete Angebote für Betroffene: Begleitung und Seelsorge, Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen des Missbrauchs, Veranstaltungen und Austauschtreffen. Unsere Hoffnung ist, so wenigstens einen kleinen Beitrag zur Heilung leisten zu können.
Kardinal Reinhard Marx
Erzbischof von München und Freising
Im Blick zurück auf die letzte Zeit haben wir als Erzdiözese im Umgang mit sexualisierter Gewalt einiges auf den Weg gebracht: Der Bereich Prävention wurde weiterentwickelt und ausgebaut. Die Aufarbeitung wurde konsequent vorangetrieben, unter anderem mit den externen Gutachten von 2010 und 2022.
Ein besonders wichtiger Schritt war sicher die Einrichtung des Betroffenenbeirats und der unabhängigen Aufarbeitungskommission. Die Zusammenarbeit mit den beiden Gremien schätzen wir von Seiten der Leitung der Erzdiözese sehr. Sofern es gewünscht ist, nehmen wir und immer wieder auch der Erzbischof an den Sitzungen teil. Auch darüber hinaus stehen wir stets für Gespräch und Austausch zur Verfügung. Aus den Gremien kamen schon viele wichtige Impulse – und wir sind gut beraten, diese Impulse aufzunehmen, da die Betroffenen- perspektive und der Blick von außen für uns ganz wesentlich sind. Auf Initiative der beiden Gremien gab es auch mehrere Veranstaltungen, die vor allem Austausch und Begegnung von und mit Betroffenen dienten. Wir sind den beiden Gremien sehr dankbar für ihre wertvolle Arbeit.
Auf Anregung insbesondere aus dem Betroffenenbeirat wurde seit Mitte 2022 eine neue Stabsstelle, die Seelsorge und Beratung für Betroffene von Missbrauch und Gewalt bietet, geschaffen. Sie baut auf dem auf, was von uns unmittelbar mit Veröffentlichung des externen Gutachtens im Januar 2022 im Sinne eines niedrigschwelligen Angebots für Betroffene und Menschen in ihrem Umfeld ermöglicht wurde. Seit der Einrichtung haben die Mitarbeitenden bereits zahlreiche Gespräche mit Betroffenen geführt und konnten in vielen Fällen weitergehende Hilfen vermitteln.
Sicher bleibt noch einiges zu tun. So wollen wir weiterhin im Dialog mit Betroffenenbeirat und Aufarbeitungskommission unsere Aufarbeitungs- und Präventionsarbeit fortsetzen.
Generalvikar Christoph Klingan
Amtschefin Stephanie Herrmann