Ein offenes Ohr für die Betroffenen: Seit die neue Stabsstelle Seelsorge und Beratung für Betroffene von Missbrauch und Gewalt ihre Arbeit aufgenommen hat, haben sich zahlreiche Frauen und Männer an die Psychologinnen Anna-Theresa Lang und Lena Furtner gewendet.
Etwa zwei Drittel der Anruferinnen und Anrufer sind selbst von Missbrauch betroffen. „Es braucht viel Mut anzurufen, denn die Betroffenen wissen ja nicht, wer am anderen Ende der Leitung sitzt“, wissen beide Psychologinnen. Etwa die Hälfte der Anrufenden erzählen zum ersten Mal in ihrem Leben jemandem vom Missbrauch, den sie erlebt haben.
Für viele ist die symbolische Anerkennung ein Schritt im Verarbeitungsprozess
Anna-Theresa Lang erklärt, wie die neue Anlaufstelle arbeitet: „Wir kommen ins Gespräch mit den Betroffenen und klären im Austausch, welche Unterstützung sich diese von der Erzdiözese wünschen und wie wir konkret Hilfe bereitstellen können.“ Im Zentrum steht dabei die jeweilige Anruferin oder der Anrufer. „Vielen ist es ein großes Anliegen, gesehen und ernst genommen zu werden, zu hören: ‚Ich glaube Ihnen‘“, erklärt Lena Furtner. „Und wenn die Betroffenen es möchten, vermitteln wir an die unabhängigen Ansprechpersonen weiter, die sich dann auch um die finanzielle Anerkennung des Leids kümmern. Für viele ist diese symbolische Anerkennung des Leids ein wichtiger Schritt im Verarbeitungsprozess des Erlebten“, ergänzt ihre Kollegin Anna-Theresa Lang.
Anliegen und Erwartungen der Betroffenen fließen in die Unterstützungsarbeit ein in telefonischen und persönlichen Gesprächen helfen die beiden Psychologinnen unter anderem bei der Suche nach Hilfe. „Wir können zu Therapeuten und Therapeutinnen weitervermitteln, die Erfahrung haben mit Betroffenen. Diese Betroffenen haben oft extreme Erlebnisse durchlitten, sind oft schwer traumatisiert, tragen das Erlebte oft jahre- und jahrzehntelang mit sich“, erklärt Lena Furtner. Sie fügt hinzu: „Es ist uns wichtig, weiterhin in Kontakt mit den Betroffenen zu stehen, auch um deren Anliegen und Erwartungen an die Erzdiözese ernst zu nehmen und in unsere Unterstützungsarbeit einfließen zu lassen.“
Für manche Betroffene ist es einfacher, zu einer offenen Veranstaltung zu kommen, bei der auch interne und externe Ansprechpartner vor Ort sind. Dann können Menschen mit Missbrauchserfahrung sich gegenüber Personen öffnen, zu denen sie im persönlichen Kontakt Vertrauen fassen. Beide Psychologinnen arbeiten daher auch daran, dass es weiterhin Veranstaltungen für Betroffene in der Erzdiözese gibt.
Viele Anrufer gehören auch zum Umfeld Betroffener und sind von daher systemisch Mitbetroffene, die ebenfalls schwerwiegende Erfahrungen verarbeiten müssen und Beratung und Hilfe suchen. Auch sie finden nun in der neuen Anlauf- und Beratungsstelle eine psychologische Beratung, Unterstützung und ein offenes Ohr.