Herr Achleitner, was ist Ihnen widerfahren?
Ich wurde vom zehnten bis zum 17. Lebensjahr von einem Ordenspriester missbraucht. Er ist als enger Freund der Familie bei uns daheim ein- und ausgegangen, hat mit uns gespielt, sich als Nikolaus verkleidet, hat Ausflüge mit uns gemacht.
Dann hat er mich zum Ministrieren gebracht und damit hat der Missbrauch begonnen. Ich wusste damals noch gar nichts von Sexualität und konnte darüber nicht sprechen. In den 1950er Jahren, als der Missbrauch stattfand, war ein Pater eine absolute Respektsperson. Es hat erst aufgehört, als ich mich von meinem Heimatort gelöst habe.
Sie halten Vorträge im Rahmen von Präventionsschulungen?
Ich habe als pensionierter Lehrer vor Lehrkräften an kirchlichen Schulen gesprochen und gehe auch an Fachakademien für Sozialpädagogik. Mir geht es darum, dass Menschen sich gegen sexuellen Missbrauch engagieren.
Dazu müssen sie aber erst einmal erkennen können, wo dieser stattfindet. Wenn zum Beispiel bei einer Familienfeier die Susi mit acht Jahren auf dem Schoß von Onkel Hans sitzt und er streichelt sie dauernd am Oberschenkel, dann stimmt da vermutlich etwas nicht. Das muss man ansprechen. Alles ist besser als wegzuschauen, weil einem die Situation vielleicht unangenehm oder peinlich ist.
Was lösen Sie durch Ihre Vorträge aus?
Die Zuhörer sehen, dass es nötig ist, sich zu engagieren. Leider nehmen die Missbrauchszahlen aber sogar wieder leicht zu, auch, weil heute vieles übers Internet verabredet wird. Aber in der Kirche ist Missbrauch deutlich schwieriger geworden. Und das freut mich.
Wieso engagieren Sie sich im Betroffenenbeirat?
Ich habe damals gelesen, dass Mitglieder für den Betroffenenbei-rat gesucht werden, und habe mich gemeldet. Die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern schätze ich sehr. Sie haben alle dasselbe erlebt. Dann tut es mir sehr gut, dass man uns glaubt und mit uns zusammenarbeiten will – bis hinauf zu Kardinal Marx, der selbst mehrfach mit uns gesprochen hat.
Ich engagiere mich, weil ich möchte, dass andere Betroffene Hilfe und Fürsorge erfahren. Wir haben uns in Veranstaltungen eingebracht, und es wird noch mehr davon geben. Persönlich freue ich mich auf die Radtour mit Betroffenen, die wir nach Rom machen wollen. Es ist geplant, dass wir dort Papst Franziskus treffen.