„Ich habe einen Platz in Gottes Plan, auf Gottes Erden, den kein anderer hat. Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen“ – so Kardinal John Henry Newman. Jeder Mensch ist berufen. Pfr. Klaus Hofstetter und Sr. Erika Wimmer, die Ansprechpersonen der Berufungspastoral in der Erzdiözese München und Freising, erleben immer wieder, dass auf der Suche nach der eigenen Berufung das Wort Gottes eine große Kraft hat. Es ermutigt, einen nächsten Schritt zu tun und trägt durch Hoch und Tief im Leben.
Die folgenden Geschichten sind entstanden aus dem Austausch mit jungen Leuten und biblischen Berufungsgeschichten. Sie bringen Menschen von damals und heute in Verbindung und können auch Sie ermutigen.
„In jenen Tagen waren Worte des Herrn selten; Visionen waren nicht häufig. Doch die Lampe Gottes war noch nicht erloschen. Eines Tages geschah es: Eli schlief auf seinem Platz; seine Augen waren schwach geworden und er konnte nicht mehr sehen. Da rief der Herr den Samuel.“ So beginnt die Erzählung von der Berufung des jungen Samuel (1 Samuel 3,1–3).
Ist das nicht eine passende Beschreibung auch für die Kirche heute? Worte des Herrn scheinen selten; Visionäres ist nicht häufig, sondern eher Strukturpläne; die „Elis“, das wären heute die Priester, sind wenige, müde, alt.
Und doch: Die Lampe Gottes ist nicht erloschen. Sie steht für die Gegenwart Gottes, vergleichbar mit dem ewigen Licht in unseren Kirchen. Gott ist da, wenn auch oft und für viele verborgen, aber er ist da!
In solchen Krisenzeiten ruft Gott Menschen. Damals wie heute. Und schon damals hat der Samuel nicht gleich beim ersten Mal verstanden, wer ihn da ruft und um was es da geht. Samuel war gleichsam Ministrant und verbrachte die Nacht in der Kirche. Und er ging dreimal zum Priester, weil er meinte, dieser rufe ihn. Bis dieser erkannte, dass es der Herr ist, der ihn ruft. Und so sagte Eli zu Samuel: „Geh, leg dich schlafen! Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört.“ Und so tat es Samuel.
Auch in meinem Leben gab es Menschen, die mir halfen, meine Berufung zu verstehen. Und wenn ältere Seelsorgerinnen oder Seelsorger oder Großeltern sagen, was sie schon tun könnten, verweise ich auf Eli. Für die junge Generation sind die „Alten“ ganz wertvoll, Oma oder Opa sind oft wichtiger als die eigenen Eltern. Darum spreche ich hier gern vom Oma- beziehungsweise Opa-Effekt. Meine Oma hat gebetet, dass einer der Enkel-söhne Priester wird – und sie war mir echtes Vorbild im Glauben.
Text: Klaus Hofstetter
Ein Blick kann alles verändern. Das haben die ersten Jünger Jesu erlebt, und davon erzählt auch Michael, der in diesen bewegten Zeiten Pastoralreferent werden will. Ihm ist die Berufung der ersten Jünger wichtig geworden.
Im ersten Kapitel des Matthäus-Evangeliums lesen wir davon, dass Jesus Simon Petrus und Andreas mitten in ihrer alltäglichen Arbeit als Fischer im Vorbeigehen sieht (Matthäus 4,18–20). Es ist kein „sehen“, das einfach beobachtet, sondern Jesus schaut sehr aufmerksam und interessiert auf die beiden Brüder. Durch diesen Blick beginnt eine vertrauensvolle Beziehung zu wachsen. Als Jesus zu ihnen sagt „Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen“, lassen sie sofort alles los und folgen Jesus nach.
Es klingt ziemlich einfach. Michael berichtet: „Ich habe mir oft die Frage gestellt, was hier passiert sein muss, dass zwei Fischer sofort alles stehen und liegen ließen und einem Fremden folgen. Die Antwort des Evangelisten Matthäus ist unscheinbar: Jesus sieht sie. Er sieht sie an, wie nur er sie ansehen kann. Genau das habe auch ich erfahren: dass Jesus mich ansieht, mich sucht für sein „Team“, und dass er mich liebt – mit meinen Stärken und auch den Ecken und Kanten. Dafür war es wichtig, dass mich konkrete Menschen genau das spüren ließen – in der Familie, in der Pfarrgemeinde: Gott schaut mich gerade auch durch Menschen an, die ihm seinen Blick leihen. Und Schritt für Schritt ist dadurch der Wunsch gewachsen: Das möchte auch ich tun: Jesus Christus meinen Blick leihen, damit er durch mich Menschen ansehen kann. Konkret bedeutet das für mich: zuhören, aufnehmen, was mein Gegenüber bewegt, wertschätzen, worin ich die Andere und den Anderen groß sehe.
„Kommt her, mir nach!“ Jesus sucht Menschen im Einsatz für das Reich Gottes. Er will und kann das nicht alleine schaffen. Er sucht für seinen Auftrag keine perfekten Macherinnen und Macher, sondern unfertige Menschen, die offen sind für Gottes Liebe zu denen, die ihn am meisten brauchen. Vielleicht haben auch Sie diesen Blick Jesu schon einmal gespürt oder sich danach gesehnt?
Text: Sr. Erika Wimmer
Die Berufung zum Propheten ist keine zu einem gemütlichen Leben. Kundschafter oder Anwältin sein, den Finger in die Wunde legen – das schmeckt vielen Zeitgenossen nicht. Da ist es verständlich, dass der oder die Gerufene nicht gleich ruft: „Hier bin ich!“ „Ach, Herr und Gott, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung“, antwortet Jeremia auf die Ansage Gottes, dass er ihn schon ausersehen hat, bevor er aus dem Mutterschoß hervorkam (Jeremia 1,4–10).
„Seit meiner Kindheit“, schreibt Christian, der im Münchner Priesterseminar ist, „habe ich in einer großen liebenden Weite durch meine Eltern den Glauben an Gott immer mehr als große und schöne Lebensperspektive erlebt. Die Frage, ob ich zum Priester berufen bin, hat mich seit meiner Firmung nicht einen Tag verlassen. Viele Fragen und Zweifel haben mich umgetrieben. Bin ich würdig genug? Kann ich diese Lebensform leben? Was ist, wenn ich scheitere?“
Dabei war ihm immer präsent, wie der Pfarrer seiner Grundschulzeit den Weg seiner Berufung verlassen hat. Über die Jahre ist er zur Überzeugung gelangt, dass er – so Gott will –, wirklich Priester werden möchte. Was er gelernt hat, beschreibt er so: „Man darf jeden Tag neu sein Ja sagen und seinem Weg treu bleiben. Ich bin dabei sehr dankbar für die Bestärkung durch gute Freunde und Familie, die auch mal kritisch nachfragen und erden.“
Die Sendung durch Gott und die eigene Identität müssen zusammenpassen. Das wird bei Jeremia deutlich. Und es braucht gute Begleitung auf dem Weg der Berufung, „gottgeweihte Personen und Laien, Männer wie Frauen, die für die Begleitung junger Menschen qualifiziert sind“, erklärt Papst Franziskus im nachsynodalen Schreiben zur Jugendsynode „Christus vivit“ (CV 244).
Text: Klaus Hofstetter
Das ist unmöglich, wie soll das denn gehen? Wirklich ich? Wer es mit Gott zu tun bekommt, kann erschrecken, so wie das junge Mädchen mit dem Namen Maria. Der Engel Gabriel tritt bei ihr ein und grüßt sie als begnadete Frau. „Fürchte dich nicht, Maria“ – ein stärkendes Wort in diese überraschende Situation hinein (Lukas 1,26–38).
Der Engel verkündet ihr, dass sie schwanger werden und Jesus, den Sohn des Höchsten, gebären wird. „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“, fragt Maria. Der Engel sagt ihr, dass Gottes Geist und Gottes Macht das bewirken werden, was menschlich gesehen nicht möglich ist. So wie Gott gewirkt hat an ihrer Ver-wandten Elisabeth, wird er auch an ihr Großes tun. Und dann dieses Wort, das auch Abraham und Sara schon zugesagt worden ist: „Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Genesis 18,14). Daraufhin gibt Maria ihr Ja: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Ein Ja, das Maria in ihrem Leben immer wieder gegeben hat. Berufung geschieht auf ihrem ganzen Lebensweg, zum Beispiel beim Wiederfinden ihres Sohnes im Tempel, bei der Hochzeit in Kana – wenn Jesus fragt: „Was willst du von mir, Frau?“ ( Johannes 2,4). Nicht zuletzt beim schwersten Wegstück, als sie unter dem Kreuz ihres Sohnes steht. Immer wieder ihr „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“.
„Berufung ist nicht bloß etwas Einmaliges, sondern geschieht oft. Das ganze Leben hindurch ruft uns Christus“, schreibt John Henry Newman. Je mehr ein Mensch entdeckt, wer er ist, und fragt, wofür er da ist, umso mehr fragt er nach der eigenen Berufung.
„Gott hat immer wieder angeklopft“, so hat Waltraud bei Jugendkorbinian erzählt. Heute ist sie Novizin bei den Schwestern vom Heiligen Kreuz und wächst in dieser Zeit immer tiefer hinein in dieses Ja, das Gott ganz viel zutraut.
Berufung ist ein lebenslanger Prozess – das erlebe ich auch bei mir. Auch ich frage beizeiten, was jetzt „meine Berufung in der Berufung als Ordenschristin“ ist, was jetzt der konkrete Auftrag Gottes ist. Dabei darf ich immer tiefer erfahren, dass diese Worte tragen: „Fürchte dich nicht“ und „Für Gott ist nichts unmöglich“.
Text: Sr. Erika Wimmer
„Geh zu meinen Brüdern!“, sagt der Auferstandene zu Maria Magdalena (Johannes 20,1–18). Gerade zu ihr, die im Lauf der Kirchengeschichte zur Sünderin, zur Hure abgestempelt wurde! Kaum eine Person steht so sehr für die Liebe zu Jesus wie sie, sodass sie in der Popkultur zur Geliebten Jesu avancierte. Maria Magdalena wich nicht von Jesu Seite und begleitete ihn auf seinem Kreuzweg. Mit anderen Frauen beobachtete sie seine Kreuzigung und war dabei, als er begraben wurde. Um den Leichnam zu salben, kehrte sie am Ostermorgen zur Grabstelle zurück und entdeckte, dass diese leer war. Sie berichtete den Jüngern vom leeren Grab und setzte sich dort nieder, um zu trauern. Da wandte sich Jesus ihr zu, sprach sie mit ihrem Namen an und Maria antwortete: „Rabbuni, Meister!“ Und nach seinem Auftrag ging sie zu den Jüngern und verkündete ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Was für eine Berufung!
Helena, die sich selbst als liberale und emanzipierte Frau beschreibt, studiert im 6. Semester katholische Theologie und ist im Ausbildungszentrum für Pastoralreferenten/-innen (ABZ) unserer Erzdiözese. „Für mich passt das zusammen“, erzählt sie, „denn mein christlicher Glaube, Jesus, ist offen für alle, bestärkt Frauen in ihrer Wichtigkeit für die Gesellschaft und befähigt alle Menschen darin, für sich und ihre Werte einzustehen, zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen.“ Ihren Glauben im Alltag leben und ihn mit anderen teilen, das hält sie in der Kirche. Trotz allem. „In der Jugendarbeit in meiner Heimat durfte ich lernen, wie viel Spaß und Freude es macht, über Glauben und auch Zweifel zu sprechen und dahin muss für mich auch unsere Kirche gehen. Es ist an der Zeit, dass wir überzeugt unseren Glauben leben, überzeugt von unserem Glauben reden, uns einander und anderen öffnen, immer in der Gewissheit, dass es nicht den einen richtigen Glauben gibt, sondern dass wir eine Gemeinschaft von Glaubenden sind.“
Dass Maria Magdalena den Jüngern die Auferstehung des Herrn verkündete, brachte ihr im dritten Jahrhundert durch Hippolyt von Rom den Beinamen „Apostelin der Apostel“. Papst Franziskus war es, der 2016 den Gedenktag der Maria Magdalena zum Fest aufwertete und sie liturgisch damit den Männern gleichsetzte.
Text: Klaus Hofstetter
Diese Berufungsgeschichte spricht mich derzeit besonders an. Ich finde sie passend zu unserer Situation in Kirche und Gesellschaft: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet Jerusalem zu Herzen. (…) In der Wüste bahnt den Weg des Herrn. (…) Rufe! (...) Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Siehe, da ist euer Gott (...), er kommt mit Macht (…), wie ein Hirt weidet er seine Herde“ (Jesaja 40,1–11). Es lohnt sich, den ganzen Text zu lesen.
Ich gebe zu, dass das keine typische Berufungsgeschichte ist. Dennoch ordnet der Alttestamentler Pater Georg Fischer SJ in seinem Buch „Auf dein Wort hin“ diese Erzählung so ein.
Die Lage war bedrückend: der Tempel zerstört, das Volk in babylonischer Gefangenschaft. Und auch später blieb es schwierig: Gegen zahlreiche Widerstände musste im Land vieles neu organisiert und aufgebaut werden.
Wer diese Stelle in Jesaja genauer betrachtet, entdeckt, dass Gott hier nicht in trauter Zweisamkeit beruft, sondern mehrere Menschen beauftragt, zu trösten und die Freude vom Kommen Gottes zu verkünden. Sie, die hören und von Gott berührt sind, werden unabhängig von ihrem Beruf aufgefordert, im Chor der vielen Stimmen den Enttäuschten, Verletzten, Hoffnungslosen Mut zu machen. Ein Einzelner wäre überfordert im Kampf gegen die Resignation. Es gibt in unseren Pfarrgemeinden und christlichen Gruppierungen von Gott berührte Menschen, die sehr viele Talente haben, sich einsetzen und in der Kirche bleiben –, um beizutragen, dass Gottes frohe Botschaft bei den Menschen ankommen kann, und deutlich wird, dass es in der Kirche auch vieles gibt, das gut gelingt.
Da ist zum Beispiel Sabrina, die Erzieherin war und jetzt die Ausbildung zur Gemeindereferentin macht. Zu Beginn ihres Studiums wurde das Ausmaß der Missbrauchsfälle in der Kirche öffentlich und auch Sabrina war sehr erschüttert. Was jetzt? In ihrem Ringen hat sie sich entschieden: „Ich möchte versuchen, ein Teil der Lösung zu sein.“
Eine Stimme, die mir und hoffentlich auch Ihnen Mut macht und der Freude neuen Schwung gibt.
Text: Sr. Erika Wimmer
Angebote der Berufungspastoral
- Jeden 1. Sonntag im Monat von 18 bis 19.30 Uhr: Wort-des-Lebens-Treff für junge Erwachsene in München und per zoom
Berufungspastoral
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80333 München
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Pfr. Klaus Hofstetter
Khofstetter@eomuc.de Sr. Erika Wimmer MSsR
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