"Den Glauben raus aus den Kirchenmauern zu den Menschen tragen" Helena Wappmannsberger will Menschen zuhören und befähigen, ihren Glauben zu leben

 
Die Theologiestudentin und angehende Pastoralreferentin Helena Wappmannsberger (21) ist nicht mit allem in der katholischen Kirche einverstanden. Doch sie ist überzeugt, dass "es an der Zeit ist, dass wir überzeugt unseren Glauben leben, überzeugt von unserem Glauben reden, uns einander und anderen öffnen".
 
Theologiestudentin Helena Wappmannsberger
Helena Wappmannsberger (21)
Ich bin Helena, 21 Jahre alt und studiere jetzt im 6. Semester katholische Theologie. Neben dem Studium bin ich im Ausbildungszentrum für Pastoralreferent:innen (ABZ) der Erzdiözese München und Freising und, so hoffe ich, eine liberale und emanzipierte Frau. Für viele meiner Freundinnen und Freunde widerspricht sich das wahrscheinlich.

Für mich aber passt das zusammen, denn mein christlicher Glaube, Jesus ist offen für ALLE, bestärkt Frauen in ihrer Wichtigkeit für die Gesellschaft und befähigt alle Menschen darin, für sich und ihre Werte einzustehen, zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen. Für mich ist es aus meinem Glauben heraus konsequent, also folgerichtig, die Botschaft Jesu zu vertreten und dafür einzustehen, dass sie weiterlebt und – vor allem – lebendig bleibt.

Und warum in der katholischen Kirche? Ich weiß noch nicht, ob ich das für mich abschließend beantworten kann. Ich versuche es: Ich bin katholisch getauft, erzogen und aufgewachsen, der katholische Glauben ist meine geistliche Heimat, die Institution katholische Kirche kann ich nicht als meine Heimat bezeichnen. Es sind Dinge wie die immer noch mangelhafte Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, der Umgang mit Lebensformen und Sexualitäten, die nicht der „gut-katholischen Norm“ entsprechen und auch die klerikalen Leitungsformen, die mich daran hindern, mich voll und ganz mit der katholischen Kirche zu identifizieren.
 

"Es macht Spaß und Freude, über Glauben und auch Zweifel zu sprechen"

 
Und trotzdem, ich habe vor zu bleiben; ja sogar den katholischen Glauben weiterzutragen, aus den Kirchenmauern raus in den Alltag der Menschen. Motivierend sind dabei immer wieder Kommilitoninnen und Kommilitonen, Mitstudierende aus dem ABZ oder dem Priesterseminar und auch unsere Ausbildungsverantwortlichen und viele weitere Seelsorgerinnen und Seelsorger, die die Hoffnung, aber auch die Sorgen auch um das System teilen. Was mich ebenfalls motiviert sind Entwicklungen wie zum Beispiel die Initiative „Out in Church“ oder die Neuerung im Bistum Essen, dass dort nun Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten taufen dürfen. Klar ist dies aus einer Not heraus entstanden, aber trotzdem meiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung.

Meinen Glauben im Alltag leben und das Teilen meines Glaubens halten mich also im Moment in meiner Bahn, das sind auch die Dinge, die mich auf diesen Weg (Studium und ABZ) gebracht haben. In der Jugendarbeit in meiner Heimat durfte ich lernen, wie viel Spaß und Freude es macht, über Glauben und auch Zweifel zu sprechen, und dahin muss für mich auch unsere Kirche gehen. Es ist an der Zeit, dass wir überzeugt unseren Glauben leben, überzeugt von unserem Glauben reden, uns einander und anderen öffnen, immer in der Gewissheit, dass es nicht den einen richtigen Glauben gibt, sondern dass wir eine Gemeinschaft von Glaubenden sind.

Auch müssen wir offen über unsere Sorgen reden (dürfen) und einander zuhören und Glauben schenken. Ich als junge Katholikin will Menschen zuhören und befähigen, IHREN Glauben zu leben, ohne ihr Leben, ihre Sexualität, ihre Identität davor zu verleugnen, denn all das ist nicht ein Bereich neben der Botschaft Jesu, sondern es ist Teil der Botschaft des Evangeliums.
 
Text: Helena Wappmannsberger, April 2022