"Die Frage, ob ich zum Priester berufen bin, hat mich seit meiner Firmung nicht einen Tag verlassen" Christian Elsen erzählt seine ganz eigene Berufungsgeschichte

 
"Theologisch fundiert, aber nicht abgehoben, gläubig, aber nicht eng, einfach positiv unterwegs", das ist die Idealvorstellung, die Christian Elsen (27) von einem Seelsorger hat. Elsen besucht das Priesterseminar in München und schildert seinen ganz individuellen Berufungsweg.
 
Christian Elsen erzählt seine Berufungsgeschichte
Christian Elsen (27)
Vor 27 Jahren wurde ich in München geboren, dort wuchs ich auf, da ging ich zur Schule und ebendort studierte ich. Nach dem Theologie-Studium habe ich ein kirchenhistorisches Promotionsstudium und eine Tätigkeit in Teilzeit als Bildungsreferent bei missio München aufgenommen, und dann bin ich ins Priesterseminar eingetreten. Klingt ziemlich geradlinig, der Weg dorthin ist aber auch ein individueller und intimer. Trotzdem möchte ich versuchen, einige Wegmarken aufzuzeigen oder vielleicht gar Fingerzeige Gottes zu beschreiben, denen ich vertrauensvoll glauben darf.

Seit meiner Kindheit habe ich in einer großen liebenden Weite durch meine Eltern den Glauben an Gott immer mehr als große und schöne Lebensperspektive erlebt. Dankbar bin ich, dass ich im Kreise von drei jüngeren Brüdern aufwachsen durfte. Mit der Zeit hat sich ein immer größeres Interesse an Glaubensfragen entwickelt.

Im Jahr 2008 wurde ich gefirmt. Davor war ich bereits Domsingknabe und erlebte den feierlichen Gottesdienst als musikalischen Höhepunkt. Nach der Firmung wurde ich Domministrant, und dabei durfte ich den Gottesdienst in seiner liturgischen Schönheit noch näher erleben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich zum ersten Mal ernsthaft darüber nachgedacht, ob Priester-Werden nicht etwas für mich wäre, ob das nicht meine Berufung sein könnte. Bei dieser Frage war auch das Kennenlernen von Priestern in verschiedenen Lebensbezügen sehr wichtig, die in Güte und Klugheit als Seelsorger „mit weitem Herzen“ (Regula Benedicti) den Sorgen, Nöten und Anliegen der Menschen verpflichtet waren: theologisch fundiert, aber nicht abgehoben, gläubig, aber nicht eng, einfach positiv unterwegs.
 
Kann ich diese Lebensform leben? Was ist, wenn ich scheitere?

Ich habe jedoch nicht gleich auf den ich meine zu vernehmenden Ruf des Herrn zu antworten begonnen. Nach dem Abitur begann ich zunächst ein Studium der Geodäsie und Geoinformation an der TUM und dann ein Lehramtsstudium. Ich erinnere mich sehr genau, als ich damals zum ersten Mal meinem heutigen geistlichen Begleiter von einer möglichen priesterlichen Berufung erzählte. Dann wechselte ich zum vollen Theologiestudium. In dieser Zeit wohnte ich in einer WG, jobbte während der Oktoberfestzeit im Büro eines Festzelts und absolvierte eine Hospitanz beim Bayerischen Fernsehen.

Die Frage, ob ich zum Priester berufen bin, hat mich seit meiner Firmung nicht einen Tag verlassen. Viele Fragen, Zweifel haben mich umgetrieben. Bin ich würdig genug? Kann ich diese Lebensform leben? Was ist, wenn ich scheitere? Völlig präsent ist mir zum Beispiel, wie der Pfarrer meiner Grundschulzeit den Weg seiner Berufung verlassen hat.

Über die Jahre bin ich – insbesondere auch im persönlichen Gebet – zur Überzeugung gelangt, dass ich, so Gott will, wirklich Priester werden möchte. Die Feier der Eucharistie und die Spendung der Sakramente sind der Grund, weil sie für mich wahrhaft lebendige Zeichen der Liebe Gottes in der Welt sind. Deshalb bin ich zum Herbst 2021 in das Münchner Priesterseminar eingetreten, um zu prüfen, ob ich das kann und soll. Was ich gelernt habe: man darf jeden Tag neu sein Ja sagen und seinem Weg treu bleiben. Ich bin dabei sehr dankbar für die Bestärkung durch gute Freunde und Familie, die auch mal kritisch nachfragen und erden.
 
Der schönste Beruf der Welt

Aus meiner Sicht gibt es die Sehnsucht nach authentischen und glaubwürdigen Priestern, die nahe bei den Menschen ihren Ort gefunden haben – so durfte ich es bestärkend auch im Rahmen meines sechswöchigen Gemeindeseelsorgepraktikums im Frühjahr 2022 im Alltag eines Pfarrers erfahren: in der Feier der Gottesdienste, in der kirchlichen Gemeinschaft, mit der Jugend, in Trauergesprächen, bei der Spendung der Krankenkommunion, beim Besuch von Alten und Kranken, Beerdigungen, Taufen usw. So, denke ich, kann man positiv auf eine Familiengründung verzichten, um für alle Menschen als Helfer und Begleiter in allen Lebenssituationen da zu sein. Deshalb gehe ich diesen Weg der Berufungsprüfung sehr gerne weiter. Die Vielfalt des Alltags eines Priesters „von der Wiege bis zu Bahre“ hat es mir angetan. Ich glaube, es ist der schönste „Beruf“ der Welt.

Text: Christian Elsen, April 2022