Dem
heutigen Selbstverständnis der kirchlichen Archivarinnen und Archivare entspricht das nicht. 1997 formulierte die Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche in ihrem Rundschreiben
„Die pastorale Funktion der kirchlichen Archive“ programmatisch:
- Die kirchlichen Archive sind „Erbe der ganzen Menschheit“.
- Ihre Nutzung ist deshalb Forschenden „ohne ideologische und religiöse Vorurteile“ möglich.
- Und: Leitlinien der archivarischen Arbeit sind „uneigennützige Öffnung, wohlwollende Aufnahme und sachkundiger Dienst“.
In diesem Sinn hat
Papst Franziskus 2019 für das päpstliche Zentralarchiv die Ersetzung der missverständlichen Bezeichnung „Vatikanisches Geheimarchiv“ (Archivum Secretum Vaticanum) durch „Vatikanisches Apostolisches Archiv“ (Archivum Apostolicum Vaticanum)
angeordnet.
Natürlich müssen früher wie heute die Archive darauf achten, dass die ihnen anvertrauten Unterlagen sicher durch die Zeiten kommen. Das bedeutet, dass sich nicht jeder an den Regalen selbst bedienen kann. Aber sie wollen auch, dass die wertvollen historischen Quellen von Forscherinnen und Forschern genutzt werden. Ziel ist ein
möglichst objektives Bild der Kirchengeschichte, das auch dunkle Stellen nicht ausspart.
Grenzen setzt die in allen katholischen Bistümern Deutschlands geltende
Kirchliche Archivordnung von 2013/15 verständlicherweise dort (und nur dort), wo schützenswerte persönliche Daten Betroffener oder Dritter berührt sind. Aber wenn es um die
Aufklärung von Verbrechen geht, werden auch solche Unterlagen selbstverständlich den zuständigen Stellen zur Verfügung gestellt. Sie können unter definierten Bedingungen auch wissenschaftlich ausgewertet werden.
Sind die
rechtlichen Schutzfristen abgelaufen, kann heute jeder und jede Interessierte – vom Schüler bis zur ausgewiesenen Wissenschaftlerin – die Archivunterlagen einsehen und dabei auch vieles entdecken, was zum Zeitpunkt der Entstehung oder noch länger streng geheim war.