Findelkind-Zettel

Hier steht eine kurze Bildunterschrift zu oben abgebildetem Foto
Zettel zum Findling „Joseph Fletz“, 1808
Einzig die bei einem Teil der Findelkinder aufgefundenen Zettel boten Informationen über Name, Alter, Motiv der Aussetzung und eventuell bereits gespendete Taufe. Einem Schriftwechsel zwischen der Münchner Pfarrei Zu Unserer Lieben Frau und dem Freisinger Ordinariat, in dem es um die erforderliche Gewissheit hinsichtlich des Taufempfangs geht, liegen bis heute einige Zettel im Original bzw. in Abschrift bei. Sie dienten als Beispiele dafür, auf welcher Informationsgrundlage über eine Taufe „sub conditione“ zu entscheiden war.

Schon die äußere Gestalt der Originale lässt erahnen, wie es um die Schreiber(innen) stand: Wenig ansehnliche Papierstücke, von des Schreibens sichtlich nicht gewohnter Hand meist mit Bleistift beschriftet, mehrfach zusammengefaltet und in die Windeln oder die sonstige Umhüllung des ausgesetzten Kindes gesteckt. Sprache und Schreibweise sind oft stark mundartlich geprägt.

Am Nachmittag des 6. Oktober 1808 wurde vor der Haustür des Kürschnermeisters Jakob Bacchy in der Weinstraße (nahe dem heutigen Marienplatz) ein etwa einwöchiger Bub gefunden, der - wie es im Taufbuch heißt - „in einen äusserst schlechten zwilchenen schwarzen Weiberküttl eingehüllt“ war. Der beiliegende Zettel besagte, dass er schon getauft sei und Joseph heiße. Im Pfarramt vermutete man - wie auf der Rückseite des Zettels notiert -, dass es sich bei diesem Findling um das am 7. September getaufte uneheliche Kind der Bauerntochter Katharina Gerstl aus Straubing und des Bauernknechts Joseph Spitzl, ebenfalls aus Straubing, handelte.

Weil dies aber mit den Mitteln der Zeit nicht bestätigt werden konnte, schritt man am Folgetag „sicherheitswegen“ zur bedingungsweisen Taufe. Dabei übernahm der Finder die Patenschaft. Zugleich wurde der künftige Nachname festgelegt, der sich - wie in den meisten derartigen Fällen - auf die Auffindungsumstände bezog. So hieß der kleine Joseph von nun an „Fletz“ (nach der bayerischen Bezeichnung für einen Hausflur).

Archiv des Erzbistums München und Freising, Dompfarramt 862
 

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