[Zu seiner (König Pippins) Zeit lebten mehrere hochberühmte Fürsten des Reiches Christi: der … Erzbischof Bonifatius von Mainz, Bischof Rupert von Salzburg, Bischof Korbinian von Freising] und viele andere Kirchenvorsteher.
[Buch V] Kapitel 24: Vom heiligen Korbinian, Bischof von Freising
Da wir hier des seligen Korbinian Erwähnung getan haben, dessen Stuhl wir Unwürdigen innehaben, halten wir es für unziemlich, die Taten eines so hervorragenden Mannes gänzlich mit Stillschweigen zu übergehen.
Seine in der Welt hochangesehenen Eltern hießen Waldegisus und Korbiniana; schon in früher Jugend wurde ihm ein Vorgeschmack der göttlichen Gnade zuteil, die er später in vollstem Maße empfangen sollte: er ließ sich von den Lockungen der Welt nicht fesseln, begnügte sich vielmehr von dem ganzen Vermögen der Eltern allein mit Nahrung und Kleidung und wohnte in einer selbstgebauten Zelle.
Als man ihm einst zur Zeit der Weinlese eine Kostprobe von dem neuen Wein brachte, trieb der stürmisch brausende Most den Pfropfen des Gefäßes heraus. Der Gottesmann aber wollte das von der Regel gebotene Schweigen nicht brechen, er machte aber auch nicht gleich den Diener durch Zeichen darauf aufmerksam, sondern hemmte das unnütze Ausfließen des Weines durch Beten.
Da er aber wegen seines Glaubens und seiner Tugend einer Beförderung würdig war, ernannte ihn der selige Papst Gregor [II.] zum Bischof und beauftragte ihn mit der Heidenmission.
Nachdem er durch das Tridentiner Tal zurückgekehrt und nach Bayern gekommen war, wurde er vom Herzog Tassilo und seinem Sohn Theodo freundlich aufgenommen und erhielt von ihm den Freisinger Berg. Dort erbaute er zunächst eine Kirche zu Ehren des seligen Benedikt, die heute noch steht, und sammelte dort eine heilige Mönchsgemeinschaft.
Der Berg liegt in einer sehr schönen, lieblichen Gegend: in die Augen fallen zahlreiche Bäche klarsten Wassers und vor allem die reißende Isar; wie von einer Warte hat man einen weiten Ausblick auf die ganze Umgebung und nach Süden zu auf die weite Ebene. Er war zu jener Zeit noch ganz von Wäldern umgeben und soll gewissermaßen ein Hochsitz der Jäger gewesen sein. Von diesen Wäldern finden sich noch heute in den Mooren in der Ebene Spuren, nämlich alte Baumstümpfe, und noch jetzt gibt es dort eine Menge Hirsche und Geißen. Auf der Nordseite aber ist noch heute ein ausgedehnter Wald übriggeblieben, im Volksmund „Forst“ geheißen, der der Stadt durch das Bau- und Brennholz von großem Nutzen ist.
Derr an den Berg abgrenzende Landstrich, der im Süden von der Isar, im Norden von der Amper gebegrenzt wird, erstreckt sich als äußerst fruchtbare Landspitze über vier deutsche Meilen. An deren Ende, wo die beiden Flüsse sich vereinigen, liegt ein sehr schöner, lieblicher Ort namens Moosburg, wo sich in der Kirche des seligen Kastulus eine Mönchskongregation befindet.
Der selige Korbinian hat die Freisinger Kirche mit vielen Privilegien und Besitzungen ausgestattet und ihr durch viele Proben frommer Lebensführung hohes Ansehen verschafft.
So wird berichtet, dass einstmals, als er wegen einer kirchlichen Angelegenheit nach Rom reiste, ein Bär sein Saumross tötete. Da fing der Gottesmann den Bären, legte ihm den Saumsattel auf und befahl ihm, ihn zu tragen, und das Wort Gottes erwies sich als „schärfer denn jedes Schwert“ [Hebr 4,12]: es zwang das wilde Tier, dem Befehl des Gottesmannes zu gehorchen. Auf derselben Reise litten seine Genossen in einer Einöde Hunger, da warf plötzlich ein Adler einen Fisch herab; mit Staunen und Verwunderung aßen alle Anwesenden davon und wurden dadurch erquickt und aufgeheitert.
Ein andermal traf er auf einer Reise zu König Pippin auf einen zum Galgen verurteilten Räuber […]
[am Rand:] Beachte zu ihm große Wunder.
(Übersetzung: Adolf Schmidt/Roland Götz)