[Buch VI] Kapitel 20: Triumph Ottos über die Ungarn, Verrat des Grafen von Scheyern und Triumph Ottos über die Slawen
Im Jahr 955 nach der Fleischwerdung des Herrn fiel das wilde Volk der Ungarn in unzählbaren Scharen ein, überflutete wie ein Heuschreckenschwarm das ganze Land und gelangte bis vor Augsburg am Lech, dessen Bischofsstuhl damals der verehrungswürdige, Gott wohlgefällige Ulrich innehatte. Ihnen trat der ruhmreiche König entgegen, sich auf den Zuspruch dieses Gottesmannes hin mehr auf den Glauben als auf die Waffen verlassend, und warf die Barbaren mit solcher Kraft nieder, dass dieses wildeste aller Völker seitdem nicht nur nicht mehr wagte, ins Reich einzufallen, sondern auch in der Verzweiflung das eigne Land durch Wälle und Palisaden in sumpfigen Gegenden vor unseren Heeren zu schützen suchte. In dieser Schlacht fiel der erlauchte Herzog von Worms und Schwiegersohn des Königs, Konrad. Die Barbaren sollen, was jedoch unglaubwürdig erscheint, völlig vernichtet worden und bis auf sieben Überlebende alle umgekommen sein.
Der Anstifter dieser schweren Heimsuchung soll ein bayerischer Graf von Scheyern gewesen sein. Aber er musste den Treubruch büßen, denn da er die Ungarn unbedacht herangeführt und dadurch der Vernichtung preisgegeben hatte, wurde er von ihnen als Verräter getötet. Sein Land, so wird berichtet, wurde konfisziert; ein Teil wurde vom König an die Kirchen verteilt, ein Teil mit der Burg Scheyern wurde seinen Erben belassen, aber von den Bischöfen für ewige Zeit mit dem Bannfluch belegt.
Aus seinem Stamme sind bis heute zahlreiche Gewaltmenschen entsprossen. Aber der Pfalzgraf Otto, des treubrüchigen, unbotmäßigen Vaters sehr ähnlicher Sohn, übertrifft alle seine Vorfahren an Bösartigkeit und drangsaliert bis zum heutigen Tage unablässig die Kirche Gottes. So ist seltsamerweise fast diese gesamte Nachkommenschaft, ich weiß nicht, nach welchem göttlichen Ratschluss, „in verkehrten Sinn dahingegeben“ [Röm 1,28], so dass man in ihr keinen oder doch nur ganz wenige beiderlei Geschlechts, welches Ranges oder Standes auch immer, findet, die sich nicht in offener Gewalttätigkeit austoben oder völlig verblendet, jedes kirchlichen oder weltlichen Amtes unwürdig, sich dem Diebstahl und Straßenraub ergeben und ein elendes Bettlerdasein fristen.
Der König zog nun von dort ab und griff die ihm Widerstand leistenden Slaven an; nach dem Siege über sie wie über die Ungarn nannte man ihn „Vater des Vaterlandes“.
(Übersetzung: Adolf Schmidt/Roland Götz)