Transkription Sittlichkeits-Akten

[Text des Schreibens, S. 1:]
 
Hochwürdigstes
Erzbischöfliches Ordinariat!
 
Betreff: Anzeige über wiederkehrende
öffentliche Sittenlosigkeit zweier
Personen der Pfarrei Truchtlaching
und ehrfurchtsvollste Bitte um
Verhaltungsmaßregeln.
 
Es scheint dem ehrfurchtsvollst Unter-
zeichneten unwahrscheinlich, daß das
Pfarramt Truchtlaching schon früher
In dieser Angelegenheit Anzeige ge-
macht, da keine Akten vorzufinden sind.
Deßhalb kommt der ehrfurchts-
vollst Gefertigte hiermit der Verord-
nung des Generale vom 9. Juni 1824
N[ume]ro 37, respectiv vom 25. Januar 1825
N[ume]ro 55 nach, indem er dem hochwür-
digsten erzbischöflichen Ordinariate
zur Anzeige bringt, daß die ledige
Person Ursula Huber nun mit dem
Fünften Kinde niederkam. Vater
Der zwei Letzten Kinder ist Jakob Huber,
lediger Bauerssohn von Ebering in
der Pfarrei Truchtlaching.
Verwandt sind die genannten
Ursula [und] Jakob Huber nicht, was der
Familienname vermuthen lassen könn-
te.
Die Ehe zwischen ihnen war schon
einmal im Gange, wird aber immer
in die Zukunft geschoben, insbeson-
dere durch den Eigensinn der 74 Jahr
 
[S. 2:]
alten Mutter des Jakob Huber (37 J[ahre] alt),
die erstlich nie ihr Haus übergeben
wollte, nun aber hinsichtlich des Erb-
theils für die einzelnen Kinder nichts
ins Reine bringt u[nd] ihren Sohn Jakob
dadurch immer hinhält zu heirathen,
was er selbst ernstlich anzustreben
scheint.
Obengenannte ledige Personen leben
nun zwar nicht in Gemeinschaftlich-
keit des Bettes, wohl aber des Tisches
und der Arbeit zum Aergernisse
der braven Nachbarschaft. Ueber-
dieß befinden sich die Betreffenden
stets in nächster Nachbarschaft, indem
das jedem einzelnen Theile eigene
Haus in demselben Orte Ebering ist.
Der ehrfurchtsvollst Unterzeichne-
te hat die Genannten vorgerufen auf
Anzeiges [!] des Vorstehers jenes Ortes
und sie ernstlich vor diesem Gemein-
leben gewarnt mit gleichzeitiger
Androhung, dieses Verhalten beim
hochwürdigsten Ordinariate zur
Kenntniß zu bringen.
Sie schicken sich scheinbar an, als
wollten sie baldigst die Verehelichung
bewirken, und baten sogar schon um
Einsegnung der Ehe, in der That aber
thun sie nichts, um vor Gericht ins
Reine zu kommen u[nd] dadurch das
Hinderniß der Verehelichung zu heben.
 
[S. 3:]
Da die Sache aber schon lange ver-
schleppt worden und eine schnelle
Bereinigung nicht zu hoffen ist, stellt
der ehrfurchtsvollst Unterzeichnete
die gehorsamste Bitte, das hochwürdigste
Ordinariat möge ihm gnädigst be-
stimmte Verhaltungsmaßregeln er-
theilen.
 
In ausgezeichneter Hochachtung
geharrt
 
Eines Hochwürdigsten Erzbischoeflichen Ordinariates
 
ehrfurchtsvollst gehorsamster
Anton Aigner, d[er] Z[eit] Pfarrvikar
 
Truchtlaching am 6. August 1866
 
[Bearbeitungsvermerke und Konzept des Antwortschreibens, S. 1:]
 
Praes[entatum] 10. Aug[ust] 1866
5094
 
N[ume]ro 15
Scr[i]ps[it] Werle
20. VIII. [18]66
 
G[eneral]V[ikariats]N[ummer] & B[e]t[reff] wie oben
 
An das
Pfarramt
Truchtlaching
 
Das Ord[inariat]
läßt dem Herrn Pfarr-
vicar Anton Aigner
auf seinen Bericht vom
6./10. d[ieses] M[onats] in b[e]z[eichnetem] B[e]t[reff] den
Auftrag zugehen, die ledige Ursula Huber
mit Beiziehung zweier christlicher Männer
der Gemeinde als Zeugen demnächst vor-
rufen zu lassen und ihr folgendes zu er-
öffnen:
„Unser Hochwürdigster Oberhirt hat Kenntniß ge-
nommen von dem lange fortgesetzten un-
sittlichen Wandel der ledigen Ursula Huber
und läßt nun dieselbe durch ihren Seelsorger
mit väterlichem Ernst ermahnen, endlich
in sich zu gehen, für so viele Beleidigungen
Gottes und für die ihrer Gemeinde gegebenen
Aergernisse durch eine aufrichtige Busse und
wahre Besserung einige Genugthuung zu
leisten.
Für den Fall, daß diese Unglückliche feierlich
versprechen wird, ihren Lebenswandel zu
ändern, so ist derselben aufzuerlegen
 
vert[atur]
 
[S. 2:]
1) daß sie ihr Gewissen durch eine
reumüthige Beicht reinige,
2) daß sie die bisherige lasterhafte
Verbindung unbedingt aufgebe und
jede Gelegenheit zur Sünde sorgfältig
vermeide,
3) daß sie sich in einen ordentlichen
Dienst bei christlichen Hausleuten
baldmöglichst verdinge, wo sie Gelegen-
heit haben wird, ihre jetzt gefaßten
guten Vorsätze auch wirklich in Aus-
übung zu bringen.
Zugleich ist der genannten Ursula Huber
zu bedeuten, daß diese oberhirtliche
Ermahnung auch als kanonische Ver-
Warnung gelte, und daß sohin bei
dem nächsten Rückfalle in die alten
Verirrungen gegen sie mit den vor-
geschriebenen kirchlichen Strafen und
selbst mit der Ausschließung aus der
Gemeinschaft der Kirche und ihrer h[eiligen] Sakra-
mente unnachsichtlich vorgeschritten
werden müßte, um ihre Seele vor dem
ewigen Verderben zu retten.“
Ueber diese Verhandlung, welche mit
einem passenden Gebete zu beginnen
und zu schließen hat, ist ein Protokoll
aufzunehmen und selbes mit gutachtlich[em]
Vollzugsberichte anher vorzulegen.
München, 14. August 1866
Exp[ediatur] Dr. [Joseph Alois von] Prand