Kirche zwischen Krieg und Frieden Berichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs

Hier steht eine kurze Bildunterschrift zu oben abgebildetem Foto
Kriegs- und Einmarschbericht für die Pfarrei Dachau-St. Jakob von Stadtpfarrer Friedrich Pfanzelt; Typoskript, 7. August 1945

Am 7. Juni 1945 wies Generalvikar Ferdinand Buchwieser alle Seelsorger des Erzbistums an, bis zum 1. August über die erst kurz zurückliegenden Kriegsereignisse sowie über Ablauf und Begleitumstände des Einmarsches der US-Armee in den einzelnen Seelsorgsbezirken zu berichten. Einzugehen war insbesondere auf eventuelle Schäden von Fliegerangriffen, die Vorgänge beim Einmarsch der Amerikaner (Kampfhandlungen, Behandlung von Geistlichen, Störung der Gottesdienstordnung, Opfer unter der Bevölkerung und Schäden an kirchlichen Gebäuden) sowie Umfang und Dauer von Plünderungen (u.a. von Messwein).

Die rund 560 Berichte, die von August 1945 bis Juni 1946 einliefen, bilden einen der wichtigsten Quellenbestände zum Kriegsende in Oberbayern. Sie bieten eine Fülle von aus unmittelbarer Zeugenschaft geschöpften Informationen über die konkreten Ereignisse vor Ort und ermöglichen so eine genauere Sicht auf das Epochenjahr 1945. U.a. ist hier von den letzten Kampfhandlungen und vom Ringen um das Hissen der weißen Fahne am Kirchturm die Rede, ebenso von Reaktionen der Bevölkerung auf die ‚Todesmärsche‘ von KZ-Häftlingen und von den ersten Begegnungen zwischen Einheimischen und US-Soldaten. Zugleich sind die Berichte aufschlussreiche Zeugnisse dafür, wie Krieg und Kriegsende von den Geistlichen und der bayerischen Bevölkerung überhaupt bewertet wurden.

Dabei ist an keiner Stelle Sympathie mit dem untergegangenen NS-Regime zu bemerken, ebenso wenig mit den gefürchteten Einheiten der SS, während die besiegten deutschen Soldaten bedauert werden. Oft ist von der deutschen „Niederlage“ die Rede, die aber auch als „Befreiung“ empfunden wird. Werden die amerikanischen Truppen zunächst im Licht letzter Kampfhandlungen als „Feind“ angesehen, führen in später abgegebenen Berichten die mittlerweile gemachten Erfahrungen – wie respektvolle Behandlung der Geistlichkeit oder Gottesdienstbesuch von US-Soldaten – zu einem deutlich positiveren Bild, wobei auf dunkelhäutige Soldaten oft gesondert eingegangen wird. Geschätzt wurde insbesondere die Rolle des US-Militärs bei der Gewährleistung öffentlicher Ordnung, während unkontrollierte französische Einheiten ebenso wie befreite und bewaffnete Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge sehr negativ gezeichnet werden. Eine stark moralische Bewertung greift bei Plünderungen, die von der einheimischen Bevölkerung in großem Ausmaß verübt wurden, und bei sexuellen Kontakten zwischen US-Soldaten und deutschen Frauen: Erstere werden ausnahmslos verurteilt, unschuldige Opfer von Vergewaltigungen bedauert, das ‚Fraternisieren‘ aber scharf kritisiert.

Einen besonderen Fall stellt der Bericht des Stadtpfarrers Friedrich Pfanzelt über das Kriegsende in Dachau dar, geht es hier doch um den Standort des ersten nationalsozialistischen Konzentrationslagers. Pfanzelt stilisierte sich zum Retter Dachaus, der den kampflosen Abzug der SS erwirkte und verhinderte, dass die US-Truppen angesichts der Gräuel, die sie bei Befreiung des KZ vorfanden, die Stadt zerstörten.

Archiv des Erzbistums München und Freising, Generalvikariat/Generalvikar (ab 1945), Berichtswesen, BB009/4, EinB14

 

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