Der beachtliche Bevölkerungszuwachs zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkte sich einschneidend auf die Seelsorgesituation in Harlaching aus. Die Sonn- und Feiertagsgottesdienste im Anna-Kircherl übernahm ab 1913 der Präses der katholischen Arbeitervereine, der ab 1924 auch die tägliche Frühmesse zelebrierte. Angesichts der wachsenden Bevölkerung jedoch mit ihren Wünschen, Sorgen und Nöten war dieser Zustand bald nicht mehr haltbar.
Man bemühte sich mit Erfolg, eine Kuratie St. Anna/Harlaching zu errichten. Am 1. Oktober 1925 war es soweit. Übernommen wurde sie vom Hochw. Kuraten Franz X. Meisl.
In den 20er Jahren gab es in Harlaching allerdings kaum freien Wohnraum, und so war der erste „Pfarrhof“ lediglich ein Zimmer in der Geiselgasteigstraße 3. Bereits ein Jahr später aber bekam der Pfarrer in der Aretinstraße 8 von einer Familie zwei Räume zur Verfügung. Für die täglichen Mahlzeiten war er bis Anfang April 1927 auf die Gaststätte Neumeier angewiesen.
Dann genehmigte die katholische Gesamtkirchenverwaltung die Mittel zum Kauf eines Kirchenbauplatzes, und an der Sabine-Schmitt-Straße wurde ein kleines Haus gebaut, das zunächst dem Kuraten als Wohnung, und später dem Mesner als Bleibe dienen sollte. Das Hauptziel war aber vor allem die Errichtung einer Kirche.
In einer Sitzung der Gesamtkirchenverwaltung vom 14. März 1930 wurde nach längerer Vorgeschichte dem Wunsch des Städtischen Hochbauamts entsprochen, Kirche und Pfarrhof am Hohen Weg zu erstellen. Für die Konzeption des neuen Gotteshauses wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den Richard Steidle gewann. Ihm wurde der Bau übertragen.
Bereits im Juli 1930 stand das Kreuz auf dem Bauplatz an der Stelle, wo der Hochaltar errichtet werden sollte. Übrigens schied zu diesem Zeitpunkt auch die Hl. Familie aus dem Pfarrbezirk Hl. Kreuz aus. Die Pfarre zählte damals 6000 Seelen. An Allerheiligen war die feierliche Grundsteinlegung.
Die Gesamtkosten des aufgrund der damals großen wirtschaftlichen Not maximal sparsam durchkalkulierten Baus beliefen sich auf 450.000 Reichsmark Auf viele künstlerische Extras musste unter dem Druck des Sparsystems verzichtet werden.
Am 6. September 1931, konnte die Kirche von Kardinal Faulhaber eingeweiht werden, und ganze dreizehn Jahre durften sich die Harlachinger über ihr neues Gotteshaus freuen, dann setzten die Bomben des Zweiten Weltkriegs am 22. November 1944 dem Bau erheblich zu. Bis November 1949 dauerten die Aufbauarbeiten, wobei vieles jetzt noch einfacher wiederhergestellt wurde; an Allerheiligen 1949 wurde die Kirche von Weihbischof Neuhäusler wiedereröffnet, und seit diesem Zeitpunkt ging es stetig bergauf. Die Spendenfreudigkeit der Kirchenbevölkerung trug in der Folgezeit gewaltig zur Verschönerung der Kirche, sowie zu wertvollen Neuanschaffungen bei.
Vom Äußeren betrachtet spiegelt der einfache, karge, aber monumentale Bau romanische Stilelemente, wobei auf dekorative Details völlig verzichtet wurde. Ausnahme ist eine ungewöhnlich beseelt gehaltene Christusfigur an der Chorwand. Dieser plastische Schmuck aus Muschelkalk erinnert ebenfalls an die Stilepoche der Romanik. Christus wird überlebensgroß, nicht hängend am Kreuz, sondern auf einem Fußschemel stehend gezeigt. Nicht wie der Schmerzensmann der Gotik, sondern hoheitsvoll und voll Ruhe und Liebe begegnet er dem Betrachter.
Künstlerisch bemerkenswert sind insbesondere die Bronzeportale. Nord- und Südportal sind als einfach harmonische Steinrahmen gegeben. Das Westportal hat einen sehr schlichten, vorhallenartigen Überbau. Der Bronzeguss schildert zwölf Szenen aus dem Leben der Hl. Familie, wurde von der GEWOFAG gestiftet und nach Entwürfen von Hans Goebls gefertigt. Während das Nordportal nur zwei Engel mit Marienmonogramm aufweist, besticht das Südportal mit Arbeiten des Bronzekünstlers F. Berberich. 1987/88 entstanden, versinnbildlichen sie die Kirche als ein tragendes Schiff in diversen Szenen des Alten und Neuen Testaments. Aus dem gleichen Jahr stammt das Relief der Hl. Familie an der Türe des Pfarrhauses.
Zwei weitere Arbeiten Berberichs im Inneren verdienen Beachtung. Die Sakristeitüre, sowie die Porta Musica am Aufgang der Orgelempore sind zu würdigen.
Henriette Stübinger